Einseitige Anweisung von Homeoffice durch Arbeitgeber unzulässig (LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.11.2018 – 17 Sa 562/18)

Homeoffice ist in der Arbeitswelt mittlerweile weit verbreitet. Wegen der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie erfreut sich das Homeoffice bzw. die Telearbeit großer Beliebtheit, zumindest bei den Arbeitnehmern. Immer mehr Arbeitnehmer erbringen daher zumindest einen Teil ihrer Arbeitsleistung am häuslichen Schreibtisch. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben.

Einseitige Anweisung durch Arbeitgeber

Wie verhält es sich jedoch, wenn der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice einseitig anweist? Muss der Arbeitnehmer dann zu Hause arbeiten oder kann er dies ablehnen? Hierüber hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LArbG Berlin-Brandenburg) zu entscheiden.

Der Fall

In dem Rechtsstreit stritten der Kläger und die Beklagte um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Die Beklagte ist ein Unternehmen eines Konzerns im Bereich der Telekommunikation. Sie unterhielt mehrere Betriebsstätten, unter anderem eine in Berlin. Dort ist der Kläger beschäftigt. Er ist mit einem Behinderungsgrad von 40 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Einstellung des Geschäftsbetriebs

Die Beklagte gliederte einen Teil ihrer Organisationsbereiche aus und übertrug diesen Teil auf eine Tochtergesellschaft. Die Organisationseinheit, zu der der Kläger gehört, verblieb bei der Beklagten. Diese stellte jedoch ihren Geschäftsbetrieb in Berlin komplett ein. In einer Gesamtbetriebsvereinbarung verpflichtete sich die Beklagte, schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten in Berlin Beschäftigten eine gleichwertige Tätigkeit in einem anderen Unternehmen des Konzerns anzubieten.

Anweisung von Homeoffice

So bot die Beklagte dem Kläger eine gleichwertige Tätigkeit bei einer Tochtergesellschaft in Ulm an. Die folgenden zwei Jahre sollte der Kläger jedoch Telearbeit verrichten, also zu Hause arbeiten.

Kündigung wegen Weigerung des Arbeitnehmers

Der Kläger weigerte sich, zu Hause zu arbeiten. Er weigerte sich auch, Wochenberichte zu erstellen, so wie es sein Vorgesetzter verlangte. Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger darauf hin eine Abmahnung aus. Nachdem der Kläger sich weiterhin weigerte, seine Arbeit im Homeoffice zu erbringen, kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos. Die notwendige Zustimmung des Integrationsamtes hatte die Beklagte zuvor eingeholt.

Prozessverlauf

Der Kläger erhob gegen die Kündigung Klage beim zuständigen Arbeitsgericht. Er verlangte auch die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Das Arbeitsgericht gab dem Kläger Recht. Es ging davon aus, dass sowohl die Abmahnung als auch die Kündigung rechtswidrig war. Die Beklagte legte Berufung ein. Hierüber hatte nun das LArbG Berlin-Brandenburg zu entscheiden.

Entscheidung des LArbG Berlin-Brandenburg

Das LArbG Berlin-Brandenburg entschied: Die Kündigung ist unwirksam! Die Beklagte war nicht berechtigt, dem Kläger wegen seiner Weigerung im Homeoffice zu arbeiten, zu kündigen.

Arbeitsverweigerung berechtigt grundsätzlich zur außerordentlichen Kündigung

Grundsätzlich, so das LArbG Berlin-Brandenburg, kann die Arbeitsverweigerung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. „Lehnt es der Arbeitnehmer bewusst und nachhaltig ab, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, muss der Arbeitgeber in der Regel nicht an dem Arbeitsverhältnis festhalten.“ Über die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung hatte bereits das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG, Urteil vom 28.06.2018, 2 AZR 436/17).

Arbeitsverweigerung hier rechtmäßig

In dem hier entschiedenen Fall durfte der Kläger jedoch die Arbeit im Homeoffice verweigern. Denn die Beklagte war nicht berechtigt, einseitig Homeoffice anzuweisen. So entschied das LArbG Berlin-Brandenburg. Laut Arbeitsvertrag war der Kläger verpflichtet, seine Arbeitsleistung in der bisherigen Betriebsstätte in Berlin zu erbringen. Es gab auch keine gesonderte Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten, dass die Arbeit künftig an einem anderen Ort zu verrichten ist.

Einseitige Anweisung von Homeoffice unzulässig

Die einseitige Anweisung der Beklagten, der Kläger soll die nächsten zwei Jahre im Homeoffice arbeiten, hatte keine Rechtsgrundlage. Diese Anweisung war insbesondere nicht vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst, so das LArbG Berlin-Brandenburg. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers folgt aus § 106 Satz 1 Gewerbeordnung. Es umfasst jedoch nicht die Verlegung des Arbeitsortes an den häuslichen Schreibtisch. Die einseitige Anordnung von Homeoffice überschreitet das in § 106 Satz 1 Gewerbeordnung geregelte Weisungsrecht. Hierauf weist das LArbG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil hin.

Homeoffice und Arbeit in Betriebsstätte nicht vergleichbar

„Die Umstände einer ausschließlich in der eigenen Wohnung zu verrichtenden Arbeit sind mit einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zusammen mit weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers auszuüben ist, nicht zu vergleichen“. Insbesondere verliert der Arbeitnehmer den unmittelbaren Kontakt zu seinen Kollegen. Auch werden für den Arbeitnehmer die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit fließend, so das LArbG Berlin-Brandenburg.

Grundsätzliches Interesse von Arbeitnehmern an Homeoffice spielt keine Rolle

Auch die Tatsache, dass die Arbeitnehmer in der Regel an einer Arbeit im Homeoffice interessiert sein können, ändert nach Auffassung des LArbG Berlin-Brandenburg nichts daran. Der Arbeitgeber darf nicht einseitig die Verlegung der Arbeit ins Homeoffice anweisen.

Abmahnung und Kündigung rechtswidrig

Damit liegt nach Auffassung des LArbG Berlin-Brandenburg keine zulässige Anweisung der Telearbeit vor. Der Kläger durfte sich daher weigern, zu Hause zu arbeiten. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung lag damit nicht vor. Das LArbG Berlin-Brandenburg entschied aus diesem Grund, dass die Kündigung unwirksam war. Aus dem gleichen Grund war auch die Abmahnung rechtswidrig, so das LArbG Berlin-Brandenburg.

Der Kläger hatte mit seiner Klage auch in zweiter Instanz Erfolg.

LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2018 – 17 Sa 562/18

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