Nimmt ein Arbeitnehmer nach der Reduzierung seiner Arbeitszeit Urlaub, der noch aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung stammt, so ergibt sich die Höhe seines Urlaubsentgelts aus dem Zeitraum, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darf dieser Urlaub nicht mit einem reduzierten Urlaubsentgelt entsprechend der zum Zeitpunkt des Urlaubsantritts geltenden Teilzeitquote vergütet werden. Diese Entscheidung fällte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 20.03.2018 (9 AZR 486/17).
Der Fall:
Die Klägerin ist bei der Beklagten, dem Land Mecklenburg-Vorpommern, im Geschäftsbereich des Finanzministeriums beschäftigt. Nachdem sie zunächst in Vollzeit beschäftigt war, arbeitete die Klägerin für etwas mehr als drei Jahre in Teilzeit mit einer Teilzeitquote von 35/40 bei der Beklagten. Im Anschluss daran erfolgte eine weitere Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden, jedoch wie bisher an fünf Tagen in der Woche. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung, in dem es unter anderem in § 21 heißt: „In den Fällen der Entgeltfortzahlung nach §§ 22 Absatz 1, 26 und 27 werden das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeiträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt“. § 26 TV-L regelt den Erholungsurlaub.
Die Beklagte gewährte der Klägerin während der Zeit, in der sie nur noch 20 Stunden wöchentlich beschäftigt war, insgesamt 47 Tage Urlaub. Die Urlaubstage stammen vollständig aus einer Zeit, in der die Klägerin noch mit einer Teilzeitquote von 35/40 Stunden arbeitete. Für die 47 Urlaubstage erhielt die Klägerin von der Beklagten jedoch lediglich ein Urlaubsentgelt auf Basis der derzeitigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und nicht auf Basis der vorherigen Teilzeitquote von 35/40. Die Beklagte berechnete die Urlaubsvergütung daher auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Urlaubsantritts reduzierten Arbeitszeit und damit auf Grundlage der entsprechend reduzierten Arbeitsvergütung. Die Klägerin forderte die Beklagte daraufhin auf, das Urlaubsentgelt auf Grundlage ihrer ehemaligen Arbeitszeit im Umfang der Teilzeitquote von 35/40 zu berechnen und entsprechend nachzuzahlen. Die Beklagte lehnte dies ab, woraufhin die Klägerin Klage auf Nachzahlung der Urlaubsvergütung beim zuständigen Arbeitsgericht erhob.
Das Arbeitsgericht wies die Klage der Klägerin ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das Landesarbeitsgericht der Klage überwiegend statt und verurteilte die Beklagte zur Nachzahlung einer Urlaubsvergütung basierend auf der Teilzeitquote von 35/40, dementsprechend berechnet nach der Arbeitsvergütung aus der Zeit, in der die Urlaubsansprüche der Klägerin entstanden sind. Die Beklagte legte hiergegen Revision ein und beantragte weiterhin die vollständige Klageabweisung. Sie beruft sich auf die Regelung im TV-L, wonach gemäß § 21 TV-L im Urlaubsfall die Entgeltfortzahlung durch Weiterzahlung der Tabellenentgelte erfolgt.
Das BAG hatte nun über die Revision der Beklagten zu entscheiden.
Die Entscheidung:
Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das BAG wies mit seinem Urteil vom 20.03.2018 die Revision der Beklagten zurück und bestätigte damit das Urteil des Landesarbeitsgerichts. Das Landsarbeitsgericht hat zu Recht der Klage der Klägerin größtenteils stattgegeben, so das BAG.
Nach Auffassung des BAG sind die tarifvertraglichen Regelungen der § 21 Satz 1 und § 26 Absatz 1 Satz 1 TV-L wegen der mittelbaren Benachteilung von Teilzeitkräften gemäß § 4 Absatz 1 TzBfG i.V.m. § 134 BGB nichtig, „soweit sie das Urlaubsentgelt eines Arbeitnehmers, der nach der Verringerung seiner wöchentlichen Regelarbeitszeit seinen Urlaub antritt, auch in den Fällen nach dem Entgeltausfallprinzip bemessen, in denen der Urlaub aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung stammt“. Das Urlaubsentgelt war daher auf Grundlage der Teilzeitquote von 35/40 zu bemessen und nicht auf Grundlage der Teilzeitquote von 20/40, wie es die Beklagte getan hat. Hieraus folgt der Anspruch der Klägerin auf entsprechende Nachzahlung der Urlaubsvergütung, wie das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil zutreffend festgestellt hat, so das BAG.
Das BAG weist in seinem Urteil auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22.04.2010 hin (C-486/08), die den Antritt eines Arbeitnehmers von „Alturlaub“ nach der Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit betrifft. Hiernach verstößt eine nationale Regelung gegen europäisches Recht, wenn diese vorsieht, dass der während der Vollzeitbeschäftigung erworbene und erst später während der Teilzeitbeschäftigung angetretene Urlaub reduziert wird oder mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbraucht werden soll. Aufgrund dieser Entscheidung könne an der bisherigen Rechtsprechung des BAG nicht mehr festgehalten werden. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG waren Tarifvorschriften nicht zu beanstanden, die das Urlaubsentgelt unter Rückgriff auf das Entgeltausfallprinzip berechnen, wenn sie sicherstellen, dass „der Arbeitnehmer mindestens das Urlaubsentgelt erhält, das er bei der Weiterarbeit ohne Freistellung gewöhnlich erwarten könnte (BAG, Urteil vom 21.09.2010 – 9 AZR 510/09). Diese Rechtsprechung kann nun aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22.04.2010 nicht mehr aufrechterhalten werden, so das BAG.
Nach § 4 Absatz 1 TzBfG darf ein Arbeitnehmer, der in Teilzeit beschäftigt ist, nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Hieraus folgt, dass einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt und auch Urlaubsentgelt mindestens in dem Umfang zu gewähren ist, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht, so das BAG. Das Diskriminierungsverbot der in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmer steht nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien, so bereits die frühere Rechtsprechung des BAG (BAG, 10.02.2015 – 9 AZR 53/14). Nach dem TV-L ist Anknüpfungspunkt für die Entgeltfortzahlung der Beschäftigungsumfang während des Urlaubszeitraums. Dieser Anknüpfungspunkt ist bei der Berechnung des Urlaubsentgelts bisher nicht vom BAG bemängelt worden. Die aktuelle Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weist darauf hin, dass die Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses nach dem Wortlaut und dem Zweck der einschlägigen Richtlinie auszulegen haben. Insbesondere ist hier § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15.12.1997 in der am 07.04.1998 geänderten Fassung heranzuziehen, so das BAG. Hierzu hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit sei dahin auszulegen, „dass er einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes eines Arbeitnehmers das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs in der Weise angepasst wird, dass der von einem Arbeitnehmer, der von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung übergeht, in der Zeit der Vollbeschäftigung erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht möglich war, reduziert wird oder der Arbeitnehmer diesen Urlaub nur mehr mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen kann“ (EuGH, 22.04.2010 – C-486/08).
In dem hier vom BAG entschiedenen Rechtsstreit führte die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Urlaubsentgelts auf Basis der während des Urlaubsantritts geltenden Teilzeitquote von 20/40 zu einer Verringerung des Entgeltsanspruchs der Klägerin. Dies steht nach Auffassung des BAG dem Grundsatz des Verbots der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten entgegen. Das Urlaubsentgelt war hier nach der Teilzeitquote 35/40 zu berechnen, entscheidend war daher der Zeitraum während der Entstehung des Urlaubsanspruchs, so das BAG. Hieraus folgt ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf entsprechende Nachzahlung des Urlaubsentgelts, so wie es das Landesarbeitsgericht entschieden hat.
Das BAG wies daher die Revision der Beklagten mit Urteil vom 20.03.2018 zurück.
BAG, Urt. vom 20.03.2018 – 9 AZR 486/17