In einer Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) Abschied von der Schadensersatzberechnung auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht genommen (BGH – VII ZR 46/17):
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGHs konnte der Besteller einer Werkleistung auch dann Ersatz der Kosten für die Beseitigung von Mängeln verlangen, wenn der Besteller die Mängel nicht beseitigen ließ. Dieser Anspruch wurde anstelle der Leistung im Rahmen des so genannten kleinen Schadensersatzes zuerkannt (gemäß §§ 634 Nummer 4, 281, 281 BGB) und führte oft zu skurrilen Ergebnissen, denn die Mängelbeseitigungskosten waren oft deutlich höher als der Werklohn. Nicht selten musste der Werkunternehmer daher weitaus mehr bezahlen als er erhalten hat – und das obwohl der Besteller den Mangel nicht einmal beheben lassen hat, sondern für das Geld in den Urlaub gefahren ist oder ein neues Auto gekauft hat. Bei der Abrechnung des Schadens auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten musste sich der Besteller lediglich die Umsatzsteuer abziehen lassen, da diese, wenn die Arbeiten nicht ausgeführt werden, nicht anfällt. Damit ist nun Schluss:
Im Werkvertragsrecht lässt der BGH fortan die Abrechnung auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht mehr zu.
Der Besteller, der die Sache behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann künftig nur noch Schadensersatz verlangen in Höhe
- des Minderwerts, d. h. in Höhe der Differenz des Wertes der Sache ohne Mangel im Vergleich zum Wert der Sache mit Mangel.
Der Besteller, der die Mängel nicht beseitigen lässt und die Sache veräußert, kann Schadensersatz verlangen in Höhe
- des konkreten Mindererlöses, d. h. in Höhe des Geldbetrags, den der Besteller beim Verkauf aufgrund des Mangels nicht realisieren konnte.
In Betracht kommt auch eine Schadensbemessung durch Schätzung des Minderwert des Werkes – d. h. der Werkleistung – durch einen Vergleich des Wertes des Werks mit Mangel und des Werks ohne Mangel (§§ 634 Nummer 3, 638 BGB). Bei der Schätzung nach § 287 ZPO ist allerdings die Höhe der Vergütung als Grenze zu berücksichtigen.
Der BGH begründet die Abkehr von der Ersatzfähigkeit der fiktiven Mängelbeseitigungskosten mit dem Bedürfnis, einer Überkompensation entgegenzuwirken. Im Schadensrecht gilt das Prinzip, dass der Geschädigte im Rahmen des Schadensersatzes entschädigt werden soll. Zweck dieses Ersatzanspruchs ist aber nicht die Bereicherung des Geschädigten. Genau das trat aber oft ein, wenn ein Besteller die Sache nicht reparieren lässt und – mit nur geringen Einbußen bei der Benutzbarkeit – weiter nutzt.
BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17
OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2017 – I-5 U 30/15
LG Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2015 – 10 O 265/09
1 Gedanke zu „Abkehr von fiktiver Schadensberechnung im Werkvertragsrecht – Besteller kann nur noch konkreten Schaden ersetzt verlangen (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17)“