Beim Zustandekommen des Mietvertrags machte der Mieter den Vermieter darauf aufmerksam, dass er die Wohnung dauerhaft seinem volljährigen Sohn überlassen möchte. Dies wurde dem Mieter im Vertrag unter dem Punkt „Untervermietung“ gestattet. Nach Einzug des Sohnes im Juli 2016 kam es im Umfeld des Hauses und am Haus zu Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und Ruhestörungen. Der Vermieter erkannte, dass es sich bei dem Sohn um einen Aktivisten der konservativ-rechten AfD handelte. Dieser war bereits vor dem Einzug Zielscheibe für Angriffe aus dem linken Spektrum. Die Angriffe richteten sich gegen ihn, sein Fahrzeug und das Haus, in dem er wohnte. Im November 2016 erteilte der Vermieter dem Mieter und dessen Sohn eine Abmahnung, die aber erfolglos blieb, denn die „Aktionen“ hielten unverändert an. Im Januar 2017 erklärte der Vermieter die Anfechtung des Mietvertrages und sprach dem Mieter hilfsweise eine ordentliche und ferner hilfsweise eine außerordentliche Kündigung aus. Er sei über die Identität des Sohnes und die mit ihm verbundenen Gefahren getäuscht worden. Der Mieter hätte darüber aufklären müssen. Der Mieter hielt entgegen, dass der Sohn sich anlässlich der Untervermietung persönlich namentlich beim Vermieter vorgestellt habe und deshalb keine Täuschung vorliege. Der Vermieter klagte auf Räumung.
Mit Erfolg. Das Amtsgericht Göttingen urteilte, dass der Mietvertrag wirksam angefochten worden ist nach §§ 123, 124, 142 BGB und verpflichtete den Mieter und den Sohn zur Räumung. Der Mieter sei verpflichtet, ungefragt über solche Umstände aufzuklären, die für das Mietverhältnis von Bedeutung sein können. Dazu gehört zwar nicht die politische Gesinnung des Mieters oder des Sohnes, wohl aber der Umstand, dass der Sohn bereits in der Vergangenheit zum Anziehungspunkt für Gewalt geworden ist. Diese Eigenschaft war sowohl dem Mieter als auch dessen Sohn vor Abschluss des Mietvertrags bekannt. Der Vermieter hatte ersichtlich ein Interesse an der Kenntnis dieser Umstände, die vom Vermieter trotz Offenbarungspflicht verschwiegen worden sind.
Hintergrund: Auf das Vorliegen von Kündigungsgründen kam es in der Entscheidung nicht an, da die Anfechtung das Mietverhältnis beendete. Die arglistige Täuschung wurde hier durch Unterlassen begangen, denn es täuscht nicht nur derjenige, der falsche Tatsachen behauptet (durch aktives Tun), sondern auch der derjenige, der trotz Offenbarungspflicht Tatsachen nicht mitteilt (durch Unterlassen). Bemerkenswert ist, dass die eigentlichen Störungen gar nicht vom Sohn, sondern von Dritten ausgingen. Die Störungen sind deshalb nicht auf eine Willensentscheidung des Sohnes zurückzuführen, sondern ihm allenfalls zuzurechnen, weil er bestimmte politische Auffassungen vertritt und äußert. Dass ihm die Handlungen Dritter dennoch zur Last gelegt werden, erinnert an die im Polizeirecht bekannte Rechtsfigur des Zweckveranlassers. Danach kann jemand für Handlungen Dritter zur Verantwortung gezogen werden, wenn er die Ursache für deren Handlungen gesetzt hat. Die Übertragung des „Zweckveranlassers“ in das Mietrecht begegnet Bedenken, denn es geht hier – anders als im Polizeirecht – nicht um die Beseitigung von Störungen, sondern um das Schicksal eines Vertrags. Dass das Gericht eine Aufklärungspflicht annimmt, ist aber im Ergebnis nicht zu beanstanden, denn Aufklärung darf der Vermieter für all jene Umstände erwarten, die objektiv für das Mietverhältnis von Bedeutung sind. Dazu zählen nicht bloß verschuldete Umstände, sondern auch solche, die unverschuldet sind.
In der Entscheidung kommt eine praktisch sehr relevante Problematik zur Sprache: Der Vermieter hatte das Mietverhältnis angefochten (§ 123 BGB) und später eine Abmahnung erteilt und die Kündigung erklärt. Einem solchen Vorgehen wird oft entgegen gehalten, dass der Vermieter das angefochtene Rechtsgeschäft (Mietvertrag) durch die Abmahnung bestätigt hat nach § 141 BGB. Danach gilt eine Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts als erneute Vornahme. Die Abmahnung dient der Einhaltung der vertraglichen Pflichten und setzt zwingend das Vorliegen eines Vertrages voraus. Darin kann durchaus eine Bestätigung des aufgrund der Anfechtung nichtigen Rechtsgeschäfts zu erblicken sein. Dieser Argumentation erteilte das AG Göttingen eine Absage, denn der für § 141 BGB notwendige Bestätigungswille sei der Abmahnung nicht zu entnehmen. Ebenso verhalte es sich für die beiden Kündigungen, die zwar hilfsweise erklärt wurden, aber jeweils ebenfalls das Vorliegen eines Vertrages voraussetzen.
AG Göttingen, Urteil vom 24.10.2017 – 18 C 41/17