Der Zugang zum Polizeidienst ist in vielen Ländern an eine körperliche Mindestgröße gebunden. In Griechenland beträgt die Mindestgröße unabhängig vom Geschlecht der Bewerber 1,70 Meter. Eine abgelehnte Bewerberin hat hiergegen geklagt und argumentiert, dass die einheitliche Mindestgröße eine Diskriminierung von Frauen beinhalte, da Frauen naturgemäß zumeist kleiner seien als Männer. Mit Erfolg: Der Europäische Gerichtshof sah in der einheitlichen Festlegung eine rechtswidrige Diskriminierung, die mittelbar Frauen benachteiligt, weil diese von der Anforderung überdurchschnittlich oft betroffen sind. Interessant an der Entscheidung des Luxemburger Gerichts ist, dass darin auch Maßgaben aufgestellt werden, an denen sich die Festlegung einer Mindestgröße aus rechtlicher Sicht messen lassen muss: Die Festlegung muss der Verfolgung eines rechtmäßigen Zwecks dienen und die Festlegung muss erforderlich und angemessen sein. Der EuGH bezweifelt, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen. Bestimmte polizeiliche Aufgaben seien zwar von einer gewissen körperlichen Größe abhängig. Das gelte aber längst nicht für alle Aufgaben, beispielsweise im Verkehrsdienst. Eine Notwendigkeit der Mindestgröße könne daher für das Funktionieren der griechischen Polizei nicht erkannt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, so das Gericht, dass das Funktionieren der Polizei auch mit Maßgaben erreicht werden könne, die weniger nachteilig für Frauen sind.
Hintergrund: Die körperliche Mindestgröße ist auch in Deutschland regelmäßig Gegenstand von Auseinandersetzungen. In den meisten Bundesländern gelten für Männer und Frauen unterschiedliche Anforderungen. Beispiel Nordrhein-Westfalen (NRW): Frauen 1,63 Meter und Männer 1,68 Meter. Gerichtlich geklärt ist mittlerweile für NRW, dass auch Männer, die nur 1,66 Meter groß sind, nicht aufgrund ihrer Körpergröße abgelehnt werden dürfen (OVG Münster, Urteil vom 21.09.2017 – 6 A 916/16). Im Rechtsstreit argumentierte das beklagte Land, dass kleine Polizisten mit schweren Schutzwesten nach Schießübungen nicht selbständig aufstehen könnten, sie die Pedale in Einsatzfahrzeugen nicht ordentlich bedienen könnten und dass Festnahmetechniken, bei denen der Kopf des Gegners zu fixieren ist, nicht ausgeführt werden könnten, wenn der Bewerber den Kopf des Gegners nicht erreichen könne. Außerdem sei zu befürchten, dass kleine Polizisten aufgrund ihrer kleineren Schritte einen gesamten Einsatztrupp in Gefahr bringen, da sie stolpern und damit Andere zu Fall bringen könnten. Diese in den Medien teilweise genüsslich ausgewälzten Details sind für Betroffene alles andere als witzig. Denn eine Ablehnung bringt ganz erhebliche Einschränkungen der beruflichen Möglichkeiten mit sich.
Angesichts der Rechtsprechung des OVG Münster und des EuGHs zur Mindestgröße bei Polizisten stellt sich die Frage, ob überhaupt noch derartige Anforderungen gestellt werden dürfen. Diese Frage ist zu bejahen. Sie bedürfen allerdings einer Rechtsfertigung. Bei Lichte betrachtet verlangt der EuGH nichts anderes als eine nach deutschem Recht bei Rechtseingriffen stets vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung. Um einen Eingriff handelt es sich, weil die Bewerber in ihrer Berufswahlfreiheit (Art. 12 GG) beschränkt werden. Im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu ermitteln, ob die Beschränkung ein rechtmäßiges Ziel verfolgt. Wenn das zu bejahen ist, muss die Beschränkung geeignet, erforderlich und angemessen sein. Die Gesetzgeber werden sehr genau zu prüfen haben, ob die Maßgaben wirklich notwendig sind. Voraussichtlich wird es künftig deutlich flexiblere Regelungen geben.
EuGH, Urteil vom 18.10.2017 – C-409/16