Anbieter von Internetportalen können nach § 10 TMG von einer Haftungsprivilegierung profitieren. Danach sind sie für Inhalte, die sie für einen Nutzer speichern, dann nicht verantwortlich, wenn sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information haben und ihnen keine entsprechenden Umstände bekannt sind und wenn sie unverzüglich nach Kenntniserlangung tätig geworden sind, um die rechtswidrige Information zu entfernen oder den Zugang zu sperren. Das Haftungsprivileg bewirkt, dass der Anbieter durch die Löschung bzw. Sperrung des Inhalts seinen Pflichten genügt und darüber hinaus keine Schadensersatzforderungen fürchten muss (zur Reichweite des Privilegs in Bezug auf Unterlassungsansprüche unten). Insbesondere bleiben ihm Abmahnkosten und fiktive Lizenzgebühren erspart.
Wann ein entsprechendes Handeln „unverzüglich“ ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Allerdings kann zur Konkretisierung des aus Art. 14 Absatz 1 Buchstabe c der E-Commerce-Richtlinie stammenden Begriffs der „Unverzüglichkeit“ auf die im BGB enthaltene Legaldefinition gemäß § 121 Absatz 1 Satz 1 BGB zurückgegriffen werden. „Unverzüglich“ handelt danach, wer „ohne schuldhaftes Zögern“ tätig wird. Eine konkrete Zeitspanne lässt sich nicht angeben, da die Voraussetzungen für ein schuldhaftes Zögern von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Folgende Umstände können zu berücksichtigen sein:
- Art, Umfang und Schwere der Rechtsverletzung,
- Prüfungsaufwand und Prüfungsdauer für den geltend gemachten Anspruch und ggfls. Einholung von Rechtsrat,
- Berücksichtigung möglicher Ansprüche von Nutzern, denen sich der Portalanbieter aussetzt, wenn er einen Inhalt des Nutzers löscht oder sperrt,
- Veranschlagung einer angemessenen Überlegungszeit zugunsten des Anbieters.
Nach der gesetzlichen Regelung ist lediglich ein unverzügliches Tätigwerden erforderlich. Davon zu unterscheiden ist die Bewirkung der Sperrung oder der Entfernung des Inhalts. Das bedeutet, dass unternehmensinterne Vorgänge einer Unverzüglichkeit nicht entgegenstehen. Wenn beispielsweise der Empfänger einer Löschungsaufforderung den intern für die Betreuung des Internetangebots zuständigen Administrator mit der Löschung eines Inhalts beauftragt, bewirkt der dadurch eintretende Zeitverlust nicht, dass die Unverzüglichkeit nicht mehr gewahrt ist. Notwendig ist aber stets eine zielgerichtete Bemühung des Verpflichteten, die zur Herbeiführung des Löschungs- oder Sperrungserfolgs geeignet sein muss, und eine Kontrolle, ob die Löschung oder Sperrung erfolgreich war.
Zu der Frage, welche Zeit noch als „unverzüglich“ anzusehen ist liegen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten Entscheidungen mit unterschiedlichen Zeitangaben vor:
Unverzüglich kann die Vornahme von Eintragungen nach § 24 Absatz 7 Satz 7 WEG sein, wenn sie innerhalb folgender Zeiträume erfolgt:
- einige Tage nach der Beschlussfassung,
- am nächsten Geschäftstag,
- unmittelbar im Anschluss an die Beschlussfassung.
Vereinzelt finden sich Entscheidungen, die deutlich längere Zeiträume billigen:
- 33 Tage bejaht für Meldung an Versicherung nach schwieriger Ermittlung des Versicherungsschadens nach Einbruch (OLG Koblenz, Urteil vom 15.12.2006 – 10 U 1678/05)
- bis zu drei Wochen nach der Beschlussfassung, je nach Umständen (§ 24 Absatz 7 Satz 7 WEG),
- bis zu 14 Tage bei einem Gegendarstellungsbegehren (OLG Dresden, Beschluss vom 14.03.2017 – 4 U 142/17).
Als Faustformel kann zusammengefasst werden, dass unverzügliches Handeln in der Regel dann vorliegt, wenn das Tätigwerden innerhalb weniger Tage erfolgt. Bis zu einer Woche kann ein Handeln noch unverzüglich sein. Bei einer Zeit von zwei Wochen wird in der Regel kein unverzügliches Handeln mehr vorliegen.
Zur Reichweite der Privilegierung: Der BGH vertrat lange Zeit die Auffassung, dass § 10 TMG zwar vor Schadensersatzansprüchen und vor einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit schützt, aber dass sich aus dem Regelungszusammenhang ergebe, dass die Privilegierung nicht für Beseitigungs- und Unterlassungansprüche gilt. Das erscheint zunächst plausibel, denn die Beseitigung muss der Anbieter ja gerade erfüllen, um von der Privilegierung zu profitieren. Ob dieses auf die Störerhaftung gegründete Prinzip dem Anbieter auch die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung erspart, wurde in der Rechtsprechung uneinheitlich gesehen: Der BGH wandte auch bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 10 TMG die Störerhaftung an, womit dem Anbieter stets auch die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung abzuverlangen war (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10), wohingegen das Kammergericht Berlin dies nicht für erforderlich hielt (KG Berlin, Urteil vom 16.04.2013 – 5 U 63/12). Angesichts der eindeutigen Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Störerhaftung (EuGH, Urteil vom 24.11.2011 – C-70/10), wonach Host-Providern die Privilegien auch in Bezug auf Unterlassungsansprüche zustehen, kann die ältere Rechtsprechung des BGH zu Unterlassungsansprüchen bei Host-Providern als obsolet angesehen werden (vgl. jüngst LG Würzburg, Urteil vom 07.03.2017 – 11 O 2338/16).
Praktisch bedarf es daher nach Rechtsauffassung des Kammergerichts und des LG Würzburg keiner Unterlassungsverpflichtungserklärung. Wer bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 10 TMG vorsorglich gleichwohl eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben möchte – sollte dies “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht” tun, um zu verhindern, dass die Erklärung als Schuldeingeständnis gewertet werden kann und die Erklärung sollte sehr konkret und eng formuliert werden, damit die drohende Vertragsstrafe nicht auf eine faktische Verpflichtung zur Vorabzensur hinausläuft.