Über einen nicht gerade alltäglichen Fall hatte des Oberlandesgericht Rostock (OLG Rostock) zu entscheiden: Ein Vorsitzender Richter beim Landgericht Neubrandenburg hatte die Ruhendstellung eines Rechtsstreits verfügt, weil er meinte, dass die Klägerin des Prozesses kein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens habe. Der Ruhendstellung ging eine juristische Auseinandersetzung über den Umgang mit einem in der Klageschrift versehentlich falsch bezeichneten Beklagten voraus. Der Neubrandenburger Richter vertrat hierzu die Auffassung, dass die Klage gegen den falschen Beklagten als unzulässig zurückzuweisen ist. Der klägerische Prozessvertreter vertrat hingegen die Auffassung, dass mit falschen Beklagten gar kein Prozessrechtsverhältnis zustande gekommen ist und meinte, diesen Fall mit einer Rubrumsberichtigung lösen zu können. Dieses prozessrechtliche Scharmützel, bei dem der Anwalt immerhin das oberste deutsche Zivilgericht (BGH) auf seiner Seite sah, war offenbar Grund genug, dem Richter den Spaß an dem Verfahren gehörig zu verderben. Auf einen Antrag der Klägerin auf Verlegung eines Termins stellte er nämlich kurzerhand das Verfahren ruhend, weil er davon ausgehe, dass die Klägerin gegenwärtig kein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens habe. Der klägerische Prozessvertreter stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag. Grund: Der Richter hat mit der Ruhendstellung des Verfahrens zu erkennen gegeben, dass er dem Verfahren nicht unvoreingenommen gegenübersteht. Die Ruhendstellung ist nur mit Zustimmung der Parteien möglich und kann nicht „von Amts wegen“ angeordnet werden. Mit Hinweisbeschluss teilte die Kammer des Landgerichts mit, dass sie den Befangenheitsantrag für unbegründet hält.
LG Neubrandenburg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2015 – 3 O 692/14
Der Anwalt ließ sich von dem Hinweisbeschluss nicht beeindrucken, sondern hielt an dem Befangenheitsantrag fest und legte gegen den zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Beschwerde zum OLG Rostock ein. Mit Erfolg: Das OLG erklärte die Ablehnung des Vorsitzenden Richters für begründet. Das Gericht stellte fest, dass das für einen Befangenheitsantrag notwendige Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit eines Richters dann anzunehmen ist, wenn sich eine sachwidrige auf Voreingenommenheit beruhende Benachteiligung aufdränge. Diese Voraussetzungen liegen bei der Ruhendstellung eines Verfahrens ohne Zustimmung der Klägerin vor, denn diese wird durch die Ruhendstellung benachteiligt.
OLG Rostock, Beschluss vom 14.07.2016 – 1 W 4/16
OLG Rostock, Beschluss vom 14.07.2016 – 1 W 4/16
LG Neubrandenburg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2015 – 3 O 692/14