Das in seiner Substanz aus dem Jahr 1965 stammende Urheberrechtsgesetz beinhaltet zahlreiche unklare und interpretationsbedürftige Regelungen, die für Laien kaum zu verstehen geschweige denn anzuwenden sind. Eine dieser Regelungen ist die Vorschrift über Zitate nach § 51 UrhG. Dabei handelt es sich um eine so genannte Schranke des Urheberrechts. Im eigentlichen Sinne handelt es sich also nicht um ein Recht, sondern um die Einschränkung eines Rechts, nämlich des Rechts des Urhebers bzw. des Rechteinhabers. Die oft verwendete Bezeichnung als “Zitatrecht” ist ungenau, denn es handelt sich dabei nicht um ein Recht, sondern um die Einschränkung eines Rechts.
Anwendungsbereich von § 51 UrhG
Die Vorschrift gestattet die Verwendung geschützter Inhalte zum Zwecke des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Beispielhaft heißt es in der Vorschrift, dass einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden kann (§ 51 Satz 2 Nummer 1 UrhG), dass Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk aufgeführt werden können (§ 51 Satz 2 Nummer 2 UrhG) und dass einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik abgeführt ewerden dürfen (§ 51 Satz 2 Nummer 3 UrhG).
Was ist eigentlich ein Zitat?
Eine klare Aussage dazu, was eigentlich ein Zitat ist, lässt sich § 51 UrhG nicht entnehmen. Vielmehr setzt die Vorschrift den Begriff “Zitat” voraus. Deshalb ist auf das in der Rechtsprechung geläufige Verständnis des Begriffs zurückzugreifen: Bei einem Zitats wird ein Inhalt verwendet, an dem ein Dritter Rechte innehat. Dabei kann es sich um ein urhberrechtlich schutzfähiges Werk handeln aber auch um eine Fotografie, die die Anforderungen der Schöpfungshöhe nicht erreicht und lediglich nach § 72 UrhG geschützt sind. Solche Inhalte sind gesetzlich geschützt, sodass Rechteinhaber die Nutzung durch Dritte grundsätzlich nicht dulden müssen. Eine Ausnahme hiervon regelt § 51 UrhG.
“Werk” und “Stellen” eines Werks
Zitiert werden darf stets nur aus bereits erschienenen bzw. veröffentlichten Werken. Das Erstveröffentlichungsrecht bleibt dem Urheber bzw. dem Rechteinhaber vorbehalten (§ 12 UrhG). Nach dem gesetzgeberischen Konzept dürfen in einem selbständigen Spachwerk lediglich “Stellen” eines Werkes angeführt werden (vgl. § 51 Satz 2 Nummer 2 UrhG). Diese Beschränkung gilt für selbständige wissenschaftliche Werke nicht, denn diese dürfen nicht bloß “Stellen”, sondern auch “einzelne Werke” anführen (§ 51 Satz 2 Nummer 1 UrhG). Das bedeutet, dass in einem nichtwissenschaftlichen Werk niemals ein ganzes Werk – bzw. ein Großzitat – angeführt werden darf. Ein urheberrechtlich geschütztes Foto darf daher in einem solchen Werk nicht verwendet werden, da es sich um ein “einzelnes Werk” handelt. Das Zitat im Sinnne von § 51 UrhG lässt in nichtwissenschaftlichen Werken aber lediglich die Verwendung von “Stellen” eines Werkes zu.
Beispiel für ein unzulässiges Zitat eines Fotos (§ 51 Satz 2 Nummer 2 UrhG):
Ein Foto wird in einem selbständigen nichtwissenschaftlichen Beitrag abgebildet.
Beispiel für ein zulässiges Zitat für ein Foto (§ 51 Satz 2 Nummer 1 UrhG):
Ein Foto wird in einem selbständigen wissenschaftlichen Werk abgebildet.
… zur Erläuterung des Inhalts
Eine weitere Voraussetzung des Zitats ist, dass das Zitat “zur Erläuterung des Inhalts” dienen muss, und zwar gleichermaßen bei wissenschaftlichen wie auch bei nichtwissenschaftlichen Werken. Bei der Lektüre des Paragraphen überrascht diese Voraussetzung, denn sie findet sich allein in § 51 Satz 2 Nummer 1 UrhG, also der Regelung für wissenschaftliche Werke. Im Umkehrschluss, so möchte man meinen, müsste die Voraussetzung daher bei den Nummern 2 und 3 der Vorschrift nicht gelten. Es ist indessen allgemein anerkannt, dass die Voraussetzung “zur Erläuterung des Inhalts” bei allen Zitaten gilt. Das bedeutet, dass ein Zitat im Sinne von § 51 UrhG nur dann vorliegt, wenn sich das zitierende Werk eingehend mit dem zitierten Inhalt auseinandersetzt. Ein Zitat ist daher dann nicht gegeben, wenn der Inhalt lediglich zur Ausschmückung verwendet wird oder die eigene Aussage ersetzt oder erweitert. Beispiel: Ein Foto darf in wissenschaftlichen Werken nur dann verwendet werden, wenn sich die wissenschaftliche Abhandlung damit inhaltlich auseinandersetzt, nicht aber, wenn es lediglich der Illustration dienen soll. Ein Zitat liegt bei einem Sprachwerk nicht vor, wenn dieses eigene Inhalte ersetzt, wie es oft in Anwaltsschriftsätzen anzutreffen ist:
Beispiel für ein unzulässiges Zitat:
“In Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt: “die Meinungsfreiheit ist für die freiheitlich demokratische Grundordnung von konstituierender Bedeutung (Max Muster in GG Kommentar, Art. 5, Rn. 5).” Das hat das Amtsgericht hier verkannt.”
Grund: der Verfasser erläutert den Inhalt nicht und setzt sich damit nicht auseinander. Vielmehr ersetzt der Inhalt des Dritten in dem Beispiel die eigenen Ausführungen. Der Inhalt wird nicht zur Erläuterung des eigenen Inhalts verwendet und ist daher nicht von der Schranke nach § 51 UrhG gedeckt. Es handelt sich daher um eine rechtswidrige Verletzung des Urheberrechts.
… durch den besonderen Zweck gerechtfertigt
Darüber hinaus muss die Nutzung in ihrem Umfang durch einen besonderen Zweck gerechtfertigt sein. Auch diese Anforderung betrifft wissenschaftliche Werke genauso wie nichtwissenschaftliche Werke. Bei Lichte betrachtet beinhaltet diese Anforderung eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Das bedeutet, dass die Verwendung nur dann und nur in einem solchen Umfang erfolgen darf, wie dies für den Zitatzweck notwendig ist. Diese Anforderung steht in engem Zusammenhang mit der notwendigen “Erläuterung des Inhalts” und bewirkt, dass nur in einem solchen Umfang zitiert werden darf, wie spiegelbildlich eine inhaltliche Auseinandersetzug erfolgt.
Ist ein rechtswidriges Zitat ein Plagiat?
Ein nicht den Anforderungen des § 51 UrhG entsprechendes Zitat stellt nicht immer zugleich ein Plagiat dar. Unter Plagiat versteht man gemeinhin, dass sich der Verfasser mit fremden Federn schmückt, indem er nicht oder nicht deutlich genug darauf hinweist, dass der Inhalt oder der dahinter stehende Gedankengang von einem anderen stammt. Prägend für ein Plagiat ist daher die Unlauterkeit der Verwendung. Wenn also ein Inhalt ohne Kenntlichmachung des Umstandes verwendet wird, dass es sich um Gedanken eines Dritten handelt, fehlt es an der “Erläuterung des Inhalts” im Sinne von § 51 UrhG. Das heißt, dass ein Plagiat in der Regel auch ein unzulässiges Zitat im Sinne von § 51 UrhG ist und damit als Urheberrechtsverstoß zu qualifizieren ist. Umgekehrt bewirkt aber nicht jeder Verstoß gegen Anforderungen des § 51 UrhG, dass man es mit einem Plagiat zu tun hat.
Änderung des “Zitats” nach dem UrhWissG-Entwurf
Derzeit wird der Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Bundesregierung, Urheberrechts-Wissenschafts-Gesetz – UrhWissG) diskutiert, welches auch eine Änderung des Zitatrechts beinhaltet. Danach soll § 51 UrhG einen neuen Satz 3 mit folgendem Inhalt erhalten:
“Von der Zitierbefugnis gemäß Satz 1 und Satz 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.”
(BReg Entwurf UrhWissG)
Nach der Begründung des Regierungsentwurfs soll die Änderung klarstellen, dass für das Zitieren eines Gemäldes auch ein Foto, welches das Gemäde zeigt, verwendet werden darf. Dazu komme es für die Zulässigkeit des Zitats nicht mehr darauf an, ob eine Auseinandersetzung mit dem Foto erfolgt. In Wahrheit handelt es sich aber nicht um eine Klarstellung: denn das ist nach der bisher geltenden Rechtslage anders: Soll ein urheberrechtlich geschütztes Gemälde zitiert werden, so kann dies dadurch erfolgen, dass das Gemälde abgebildet wird. Sofern das indessen durch Verwendung eines Fotos erfolgt, an dem der Zitierende nicht selbst die Rechte inne hat, wird aber nicht bloß das abgebildete Gemälde dargestellt, sondern auch das Foto. Ein Zitieren des Fotos ist indessen nur dann zulässig, wenn eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Foto stattfindet. Eine inhaltliche Auseinandersetzung wird aber im Gemälde-Fall allein auf das Gemälde beziehen und nicht auf das Foto. Zum Zitat eines Gemäldes kann daher ein Foto des Gemäldes nicht verwendet werden. Das soll sich nun ändern. Sofern der Entwurf Gesetz wird, kann zum Zwecke des Zitierens ein Foto eines Gemäldes verwendet werden, und zwar ohne dass in Bezug auf das Foto die Voraussetzungen des Zitats vorliegen müssen.
Keine Auswirkung auf Großzitat
Die beabsichitgte Änderung wird sich nicht auf die beschränkte Zulässigkeit von Großzitaten auswirken (vgl. oben “Werk” und “Stellen” eines Werkes). Auch nach der Änderung wird es daher dabei bleiben, dass einzelne Werke lediglich in selbständigen wissenschaftlichen Werken verwendet werden dürfen (vgl. § 51 Satz 2 Nummer 1 UrhG), nicht aber in nichtwissenschaftlichen Werken.
Praktische Vereinfachung des Zitats
Die beabsichtigte Gesetzesänderung bewirkt eine Erweiterung des Zitatrechts, indem sich derjenige, der zitiert, anderer Quellen bedienen darf. So wird es nach der beabsichtigten neuen Rechtslage möglich sein, sich Bilder aus dem Internet zu bedienen, und deren Verwendung wird dadurch legalisiert, dass die Zitatanforderungen in Bezug auf das Abgebildete erfüllt werden. Die Änderung ist daher in erster Linie praktisch und wird der Realität sehr gut gerecht.
Gesetzentwurf der Bundesregierung / Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft – Urheberrechts.Wissenschafts-Gesetz
Stand: 07.04.2017