Schweinesystem, staatstragend, Abnickverein: AnwG Köln, Beschl. v. 06.11.2014 – 10 EV 255/11

„Schweinesystem“ – von einem RA geäußert und in Anführungszeichen von der Meinungsfreiheit gedeckt

„staatstragend“ in Bezug auf eine Verwaltungsrichterin, von einem Rechtsanwalt geäußert unzulässig, weil unsachlich

„Abnickverein“ in Bezug auf Verwaltungsgerichte

Sachverhalt: Das Gericht hatte über die Äußerung eines Rechtsanwalts zu entscheiden, der die Verwaltungsgerichtsbarkeit als „Schweinesystem“ bezeichnete und einer Richterin am Verwaltungsgericht ein „staatstragendes“ Verständnis von ihrem Amt vorwarf, sodass diese nicht frei, sondern zugunsten des Staates entscheiden würde. Bei den Verwaltungsgerichten handele es sich lediglich um einen „Abnickverein“. Die Worte „Schweinesystem“ und „Abnickverein“ fanden sich in der Originaläußerung in Anführungszeichen. Der Anwaltsgerichtshof erteilte im Hinblick auf die Bezeichnung der Verwaltungsgerichte als „Abnickverein“ und den Vorwurf, dass die Richterin „staatstragend“ und nicht unabhängig sei, eine Rüge wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot (§ 43 Absatz 3 Satz 2 BRAO), hielt aber die Bezeichnung als „Schweinesystem“ für zulässig.

Entscheidend war, dass der Anwaltsgerichtshof in der in Bezug auf die Richterin abgegebenen Äußerung (staatstragend) eine nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckte Diskreditierung erblickte. Diese sei nicht veranlasst gewesen und stelle daher eine nicht hinzunehmende Herabwürdigung dar. Gleiches gelte für die Kritik an der als „Abnickverein“ bezeichneten Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei der Bezeichnung als „Schweinesystem“ handele es sich hingegen „um einen Vergleich als sprachliches Mittel“, der von der Meinungsfreiheit geschützt sei.

Hintergrund: Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob der Anwalt gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen hat (§ 43 Absatz 3 Satz 2 BRAO). Der Maßstab war daher anders als bei zivilrechtlichen Äußerungsstreitigkeiten, bei denen es zumeist um Meinungsfreiheit (Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG), Pressefreiheit (Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG), Kunst- und Satirefreiheit (Art 5 Absatz 3 GG) und Persönlichkeitsrechte (Art. 2 Absatz 1 i.V.m. Art. 1 Absatz 1 GG) geht. Die Meinungsfreiheit ist aber auch beim Sachlichkeitsgebot zu berücksichtigen, denn was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wird in der Regel nicht als unsachlich angesehen werden können. Im Hinblick auf die Bezeichnung als „Schweinesystem“ überrascht die Entscheidung. Das Gericht behandelt diesen Punkt auch nur sehr lapidar mit der Feststellung, dass es sich um einen Vergleich und nicht um eine Beleidigung handele. Das überzeugt nicht. Dass auch Vergleiche beleidigend sein können, ist nicht erst seit der F. J. Strauß – Entscheidung zu den kopulierenden Schweinen allgemein anerkannt. Nach allgemeinem Sprachverständnis beinhaltet die Bezeichnung als Schwein eine Formalbeleidigung. Ernst zu nehmende Gerichtsentscheidungen, die das anders sehen, gibt es nicht (vgl. aber AG Rostock „Parkschweine“). Gute Gründe hätten hier dafür gesprochen, die Bezeichnung zumindest als Schmähkritik anzusehen, die nur bei Vorliegen einer Veranlassung von der Meinungsfreiheit gedeckt wäre. Die Entscheidung ist daher zumindest mit der durch das Gericht gewählten Begründung nicht richtig. Und wenn man einmal die Argumentation zu dem „staatstragend“-Vorhalt heranzieht, ist die Entscheidung auch der Sache nach nicht haltbar. Denn wenn schon keine Veranlassung dafür zu sehen ist, die Gerichte als „staatstragend“ zu bezeichnen, dann kann wohl auch keine Veranlassung für die Bezeichnung als „Schweinesystem“ gesehen werden.

AnwG Köln, Beschluss vom 06.11.2014 – 10 EV 255/11

Schmähkritik-Lexikon