§ 20 Gerichtlicher Rechtsschutz
(1) Für Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder einer juristischen Person und einer Aufsichtsbehörde des Bundes oder eines Landes über Rechte gemäß Artikel 78 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 sowie § 61 ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Satz 1 gilt nicht für Bußgeldverfahren.
(2) Die Verwaltungsgerichtsordnung ist nach Maßgabe der Absätze 3 bis 7 anzuwenden.
(3) Für Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat.
(4) In Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 ist die Aufsichtsbehörde beteiligungsfähig.
(5) Beteiligte eines Verfahrens nach Absatz 1 Satz 1 sind
- die natürliche oder juristische Person als Klägerin oder Antragstellerin und
- die Aufsichtsbehörde als Beklagte oder Antragsgegnerin.
§ 63 Nummer 3 und 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.
(6) Ein Vorverfahren findet nicht statt.
(7) Die Aufsichtsbehörde darf gegenüber einer Behörde oder deren Rechtsträger nicht die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung anordnen.
Kommentar
§ 20 BDSG 2018 wurde neu gefasst mit dem Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU – vom 30.06.2017, BGBl. I, vom 05.07.2017, S. 2097 und tritt am 25.05.2018 in Kraft.
§ 20 behandelt den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörden des Bundes oder eines Landes.
Die Vorschrift dient der Durchführung von Artikel 78 Absatz 1 DSGVO und der Umsetzung von Artikel 53 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/680. Nach diesen Vorschriften hat jede natürliche oder juristische Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen sie betreffende rechtsverbindliche Beschlüsse einer Aufsichtsbehörde.
Absatz 1 Satz 1 bestimmt, dass für Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder einer juristischen Person und einer Aufsichtsbehörde des Bundes oder der Länder der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Es handelt sich um eine aufdrängende Sonderzuweisung im Sinne von § 40 Absatz 1 Satz 1 VwGO.
Keine Anwendung findet § 20 bei Vorliegen anderer spezieller Zuständigkeitsvorschriften, d.h. wenn und soweit durch bereichsspezifische Vorschriften des Bundes der Rechtsweg vor anderen Gerichten als den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet ist. Das ist beispielsweise bei der Sozialgerichtsbarkeit der Fall nach § 51 Sozialgerichtsgesetz, zuständig für sozialrechtliche Angelegenheiten sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Der Gesetzgeber behält sich vor, für datenschutzrechtliche Fragen im Anwendungsbereich der Abgabenordnung kraft separaten noch zu erlassenen Gesetzes in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren den Finanzrechtsweg zu eröffnen (BT Drs. 18/11325, S. 93). Prinzipiell ist das für alle der Bundesgesetzgebungskompetenz unterfallende Bereiche möglich.
Nach Absatz 1 Satz 2 ist die in Absatz 1 Satz 1 geregelte Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit für das Bußgeldverfahren nicht gegeben. Es handelt sich um eine Klarstellung, da für Bußgeldsachen ohnehin nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist; zuständig dafür sind die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 68 OWiG).
Absatz 2 bestimmt die Anwendbarkeit der Verwaltungsgerichtsordnung nach Maßgabe der Absätze 3 bis 7.
Absatz 3 legt die örtliche Zuständigkeit fest. Örtlich zuständig ist das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Bezirk bezeichnet den Gerichtsbezirk (vgl. § 3 Absatz 1 Nummer 3 VwGO). Damit werden die Verfahren auf das Verwaltungsgericht am Sitz der Aufsichtsbehörde konzentriert, was zu einer fachlichen Spezialisierung der Richter bzw. Kammern führen wird.
Absatz 4 bestimmt, dass die Aufsichtsbehörden in Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 beteiligungsfähig sind. Diese Bestimmung steht in Widerspruch zu der Festlegung in § 61 Nummer 3 VwGO, wonach Behörden beteiligungsfähig sind, wenn das Landesrecht dies bestimmt. Der Bundesgesetzgeber stützt seine Gesetzgebungskompetenz auf Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (BT Drs. 18/11325, S. 93). Formal bedarf § 61 Nummer 3 VwGO nun einer Anpassung, denn die Beteiligungsfähigkeit richtet sich fortan nicht mehr nur nach Landesrecht, wie es die Vorschrift vorsieht, sondern auch nach Bundesrecht (vgl. Absatz 4).
Absatz 5 bestimmt, dass natürliche oder juristische Personen Kläger oder Antragsteller (Absatz 5 Satz 1 Nummer 1) sind und die Aufsichtsbehörden Beklagte oder Antraggegnerin (Absatz 5 Satz 1 Nummer 2). In Absatz 5 Satz 2 ist vorgesehen, dass § 63 Nummer 3 und 4 VwGO unberührt bleibt, das bedeutet, dass Beiladungen und die Teilnahme eines Vertreters des Bundesinteresses oder eines Vertreters des öffentlichen Interesses trotz der nunmehr bundesgesetzlich vorgesehenen Beteiligungsfähigkeit der Aufsichtsbehörden möglich bleiben.
Absatz 6 sieht vor, dass ein Vorverfahren nicht durchzuführen ist. Das ist konsequent, denn aufgrund der Organisation der Aufsichtsbehörden, die auf Bundesebene einerseits und auf Länderebene andererseits nebeneinander stehen und sich nicht in einem Über- / Unterordnungsverhältnis befinden, ist kein Raum für einen Devolutiveffekt. Die Überprüfung in einem Vorverfahren wäre daher überflüssig.
Absatz 7 sieht vor, dass die Aufsichtsbehörde nicht befugt ist, gegenüber einer Behörde oder deren Rechtsträger die sofortige Vollziehung nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO anzuordnen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung bewirkt, dass eine Anfechtungsklage abweichend von § 80 Absatz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Behörden ohnehin an Recht und Gesetz gebunden sind (Art. 20 Absatz 3 GG), sodass die Vollziehung oder Nichtvollziehung nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erfolgt. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass sich die beteiligten Verwaltungsträger nicht in einem Subordinationsverhältnis gegenüberstehen. Die Anordnungsbefugnis der Aufsichtsbehörden für die sofortige Vollziehbarkeit nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO gegenüber natürlichen und juristischen Personen ist nicht eingeschränkt.