Bandit: BVerfG, Beschl. v. 24.01.2018 – 1 BvR 2465/13

Keine Schmähkritik

hier: Aufhebung Verurteilung wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB)

Sachverhalt: Der Beschwerdeführer hatte im Internet über die Aufarbeitung von DDR-Unrecht berichtet. Unter anderem befasste er sich mit einem im Jahr 1952 zum Tode verurteilten und hingerichteten Betroffenen. Dieser wurde im Jahr 2005 durch das Landgericht Berlin posthum rehabilitiert. Der Beschwerdeführer kritisierte das Rehabilitationsurteil. Der Hingerichtete habe sich am illegalen Vertrieb von „Hetzschriften“ beteiligt und er habe als Mitglied der „KgU“ („Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“) Werksspionage betrieben und außerdem einen Sprengstoffanschlag auf eine Eisenbahnbrücke geplant und einen missglückten Brandanschlag begangen. Die Rehabilitierung sei eine „Legalisierung des Terrors gegen die DDR“ und bei dem Hingerichteten handele es sich um einen „KgU-Banditen“, der Anführer einer terroristischen Vereinigung gewesen sei. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Beschwerdeführer wegen Verunglimpfung des Ansehens Verstorbener gemäß § 189 StGB zu einer Geldstrafe vom 40 Tagessätzen zu je 30 Euro (261 b Ds; 231 Js 2310/11; 90/12). Das Landgericht Berlin bestätigte die Verurteilung (574; 231 Js 2310/11 Ns; 145/12). Nach Auffassung des Landgerichts handelte es sich zwar nicht um Schmähkritik, da der Beschwerdeführer ein sachliches Anliegen verfolgte. Gleichwohl qualifizierte das Landgericht Berlin die Äußerung nach Abwägung der betroffenen Grundrechte für rechtswidrig. Der Beschwerdeführer erhob gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde. Mit Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob das Urteil auf.

Entscheidend stellte das BVerfG darauf ab, dass das Berliner Landgericht bei der Abwägung nicht hinreichend beachtet hatte, dass die Äußerung, wegen der die Verurteilung erfolgte, in einem politischen Kontext erfolgt ist. Die als Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG zu qualifizierende Äußerung erhält dadurch ein besonderes Gewicht, dass sie nicht zum Zweck der privaten Auseinandersetzung erfolgte, sondern mit dem Ziel, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Dabei tritt der Schutz des betroffenen Rechtsguts (hier das Ansehen Verstorbener) umso mehr zurück, je weniger der Äußernde eigene Zwecke verfolge. Zutreffend habe das Landgericht zwar angenommen, dass der hier kritisierte Verstorbene ebenfalls Ehr- und Persönlichkeitsschutz genießt. Allerdings – so das BVerfG – verblasse dieses Recht umso mehr, je länger der Tod zurückliege. Die Äußerung unterfällt daher der Meinungsfreiheit, wobei es nicht darauf ankomme, ob die Meinung angemessen oder historisch „richtig“ ist.

 

Schmähkritik-Lexikon