Mieterhöhung nach Modernisierung – Härtefall bei großer Wohnung? (BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 21/19)

Ist die Wohnung eines Mieters aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse eigentlich zu groß, schließt dies bei einer Mieterhöhung nach Modernisierung nicht automatisch die Geltendmachung unzumutbarer Härte durch den Mieter aus. Die Wohnungsgröße ist bei der Härtefallabwägung zu Lasten des Mieters zwar mit einzubeziehen. Entscheidend sind am Ende aber sämtliche Umstände des Einzelfalls, somit auch die Verwurzelung des Mieters und seine gesundheitlichen Bedürfnisse. Liegt trotz der Unangemessenheit der Wohnungsgröße eine unbillige Härte vor, kann der Vermieter eine Mieterhöhung nach durchgeführter Modernisierung nicht verlangen. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem aktuellen Urteil vom 09.10.2019 (VIII ZR 21/19).

Mieterhöhung nach Modernisierung

Führt der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen durch, kann er im Anschluss daran die jährliche Miete um 8 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Dies ergibt sich aus § 559 Absatz 1 BGB.

Mieterhöhung bei unzumutbarer Härte ausgeschlossen

Die Mieterhöhung ist jedoch nach § 559 Absatz 4 BGB ausgeschlossen, wenn diese für den Mieter eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Wann eine solche unzumutbare Härte vorliegt, ist in einer Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.

Unzumutbare Härte auch bei unangemessen großer Wohnung möglich

Der BGH stellte in seinem aktuellen Urteil nun klar: Eine unzumutbare Härte kann auch dann vorliegen, wenn der Mieter eine für seine wirtschaftlichen Verhältnisse eigentlich zu groß bemessene Wohnung nutzt. Denn entscheidend sind sämtliche Umstände des Einzelfalls und somit auch eine eventuell vorliegende Verwurzelung des Mieters, so wie hier die Nutzung der Wohnung durch den Mieter seit über 55 Jahren. Dies geht als Grundsatz aus dem Urteil des BGH hervor.

Mietdauer 55 Jahre

Vorausgegangen war ein Rechtsstreit über mehrere Instanzen. Die Vermieterin führte diverse Modernisierungsmaßnahmen an einem Wohnhaus durch, in dem der auch der Mieter seine Wohnung hatte. Der Mieter bewohnte die Wohnung seit seinem fünften Lebensjahr. Er wohnte dort zunächst zusammen mit seinen Eltern, später allein.

ALG II und Zuschuss zur Miete

Neben Arbeitslosengeld II bezieht der Mieter zur Deckung der Wohnungsmiete eine monatlichen Betrag von ca. 460,- €. Die Wohnung ist 86 qm groß und kostete bis zur Mieterhöhung kalt ca. 570,- €.

Modernisierungsmaßnahmen

Die Vermieterin ließ Dämmungsarbeiten an der obersten Geschossdecke durchführen, ersetzte die bisherigen Balkone durch größere und nahm den stillgelegten Fahrstuhl wieder in Betrieb. Nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen erhöhte die Vermieterin die Miete und verlangte vom Mieter nun monatlich 240,- € mehr.

Mieter widerspricht Mieterhöhung

Der Mieter war damit nicht einverstanden und gab an, dass die Mieterhöhung eine unbillige Härte für ihn bedeutet und damit nicht wirksam sei. Nach Auffassung der Vermieterin konnte sich der Mieter seine von ihm genutzte Wohnung ganz offensichtlich nicht leisten. Von ihr könne jedoch nicht verlangt werden, mit einem Verzicht auf Mieterhöhung den Luxus ihres Mieters mitzufinanzieren. Die Vermieterin hielt an ihrem Mieterhöhungsverlangen fest.

Prozessverlauf

Der Mieter erhob daraufhin Klage vor dem zuständigen Amtsgericht auf Feststellung, dass er zur Zahlung der Mieterhöhung nicht verpflichtet sei. Das Amtsgericht urteilte, dass der Mieter zur Zahlung der Kosten für die Inbetriebnahme des Fahrstuhls nicht verpflichtet ist. Im Übrigen sollte der Mieter aber die erhöhte Miete zahlen. Eine unbillige Härte nahm das Amtsgericht nicht an.

Unzumutbare Härte

Anders sah es das Landgericht in zweiter Instanz. Hiernach sollte der Mieter zu einer Mieterhöhung von monatlich 4,16 € verpflichtet sein. Mehr Zahlungen hatte der Mieter aufgrund seines Härteeinwandes nach Auffassung des Landgerichts nicht zu zahlen.

Die Vermieterin legte Revision beim BGH ein.

Entscheidung des BGH

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung zurück.

Große Wohnung schließt Härtefall nicht aus

Zunächst stellte der BGH klar, dass allein eine unangemessen große Wohnung nicht zum Ausschluss des Härtefalleinwands des Mieters führt. Die Wohnungsgröße und die Angemessenheit nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters sind nach Auffassung des BGH aber in die Abwägung mit einzubeziehen.

Vorschriften zur angemessenen Wohnungsgröße

Die Vorschriften zur angemessenen Wohnungsgröße spielen bei den staatlichen Transferleistungen eine tragende Rolle. So soll verhindert werden, dass sich ein Hilfebedürftiger auf Kosten der Allgemeinheit eine zu große Wohnung leistet.

Anderer Regelungszweck bei § 559 Absatz 4 BGB

Die Regelung zum Härtefall nach § 559 Absatz 4 Satz 1 BGB hat jedoch einen anderen Regelungszweck, so der BGH. In dieser Regelung geht es darum abzuwägen, ob der Mieter, „der sich einer von ihm nicht beeinflussbaren Entscheidung des Vermieters über die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen ausgesetzt sieht“, seinen bisherigen Lebensmittelpunkt beibehalten darf.

Auch der Mieter genießt Eigentumsschutz nach Artikel 14 GG

Dies stellt der BGH in seinem Urteil klar. Entscheidend ist nämlich, so der BGH, dass nicht nur der Vermieter sondern auch der Mieter den Schutz der Eigentumsgewährleistung nach Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz genießt.

Sämtliche Umstände des Einzelfalls

Hieraus folgt nach Auffassung des BGH, dass sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind und nicht lediglich die Wohnungsgröße ausschlaggebend ist. In dem hier entschiedenen Rechtsstreit war zu berücksichtigen, dass der Mieter aufgrund der langen Nutzungsdauer der Wohnung (über 55 Jahre) tief verwurzelt ist.

Unzumutbare Härte wegen tiefer Verwurzelung

Insbesondere kann ihm nicht vorgeworfen werden, dass er von Beginn an über seine Verhältnisse lebe, so wie es die Vermieterin ihm vorgeworfen habe. Das Landgericht hatte nach dem Urteil des BGH also zutreffend angenommen, dass eine unzumutbare Härte aufgrund der tiefen Verwurzelung anzunehmen ist.

Aber Ausschluss des Härteeinwands möglich

Dennoch hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf, weil das Landgericht keine ausreichenden Feststellungen zum gesetzlichen Ausschluss des Härteeinwands des Mieters getroffen hat.

Gesetzliche Ausnahmefälle

Bei Vorliegen der Ausnahmefälle des § 559 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 und 2 BGB kann sich der Mieter nicht auf unzumutbare Härte berufen. Dies ist der Fall, wenn die Wohnung in einen Zustand versetzt wurde, der allgemein üblich ist oder der Vermieter zur Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen aufgrund von Umständen verpflichtet gewesen ist, die er nicht zu vertreten hat.

Prüfung der Ausnahmefälle durch das Gericht

Ob einer dieser Ausnahmefälle vorliegt, hat das Landgericht nach Auffassung des BGH nicht ausreichend geprüft. Dies gilt insbesondere für die Vergrößerung der Balkone und für die Fassadendämmung. Das Landgericht muss für die durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen prüfen, ob ein Ausnahmefall des § 559 Absatz 4 Satz 2 BGB vorliegt. Erst dann kann abschließend entschieden werden, ob sich der Mieter auf unzumutbare Härte berufen darf oder nicht.

Zurückverweisung an das Landgericht

Aus diesem Grund verwies der BGH den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der vom BGH aufgestellten Grundsätze an das Landgericht zurück.

BGH, Urt. vom 09.10.2019– VIII ZR 21/19

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