Personenbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen (LAG M-V, Urt. v. 28.11.2017– 5 Sa 54/17)

Eine personenbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist auch bei unterschiedlichen Erkrankungen zulässig. Verschiedene Krankheitsursachen können auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert, auch wenn einzelne Erkrankungen ausgeheilt sind. So entschied das Landesarbeitsgericht Mecklenburg Vorpommern (MV) in seinem Urteil vom 28.11.2017 (5 Sa 54/17):

Geklagt hatte eine im Jahr 1959 geborene Betreuungsassistentin gegen die ihr gegenüber ausgesprochene personenbedingte Kündigung. Die Klägerin war bei der Beklagten in einem von ihr betriebenen Pflegeheim seit Mai 2014 beschäftigt. Neben ihr sind rund 70 Mitarbeiter, davon zwei weitere Betreuungsassistenten in dem Pflegeheim beschäftigt. In der Folgezeit erkrankte die Klägerin noch im Jahr 2014 insgesamt vier Mal an drei unterschiedlichen Krankheiten. Die krankheitsbedingten Fehltage im Jahr 2014 betrugen insgesamt 20. Im Jahr 2015 war die Klägerin insgesamt 88 Tage arbeitsunfähig erkrankt, es lagen 11 Erkrankungen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern vor. Die Beklagte führte mit der Klägerin im Jahr 2015 zwei betriebliche Eingliederungsmaßnahmen durch. Darüber hinaus zeigten mehrere Mitarbeiter der Beklagten in einem gemeinsamen Brief ihre Überlastung aufgrund der u.a. krankheits- und urlaubsbedingten Personalausfälle. Auch im Jahr 2016 erkrankte die Klägerin wiederholt. Bis Mitte August 2016 war die Klägerin insgesamt 51 Tage arbeitsunfähig erkrankt. Es lagen 10 Erkrankungen unterschiedlicher Art vor. Mehrere Mitarbeiter wendeten sich auch im Jahr 2016 an die Beklagte und zeigten ihre Überlastung an. Die Beklagte entschloss sich aufgrund der häufigen Erkrankungen der Klägerin zum Ausspruch einer personenbedingten Kündigung und unterrichtete den Betriebsrat über die oben dargestellten Gesamtumstände. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung aufgrund des Lebensalters der Klägerin und der eingeschränkten Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt. Anschließend kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aus personenbedingten Gründen. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Rostock und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht beendet wurde. Das Arbeitsgericht Rostock wies die Klage ab. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts lag eine wirksame personenbedingte Kündigung vor, da angesichts der umfangreichen und in der Tendenz zunehmenden Fehlzeiten der Klägerin von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen sei. Hiergegen spricht nach der Auffassung des Arbeitsgerichts Rostock auch nicht, dass einzelne Erkrankungen ausgeheilt sein mögen. Die Klägerin sei für solche Krankheiten jedenfalls besonders anfällig und daher sei auch in Zukunft mit erheblichen Ausfallzeiten zu rechnen. Die Beklagte habe in der Vergangenheit einen Betrag von ca. 8.600,- € für Entgeltfortzahlung aufbringen müssen. Die wirtschaftlichen und betrieblichen Belastungen seien erheblich. Die Interessenabwägung, bei der auch das Lebensalter der Klägerin zu berücksichtigen sei, ergibt, dass das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Schließlich lag nur eine relativ kurze Beschäftigungszeit vor und die Krankheiten seien bereits von Beginn des Arbeitsverhältnisses an aufgetreten. Zudem sei ein Zusammenhang der Erkrankungen mit der Tätigkeit bei der Beklagten nicht ersichtlich.

Die Beklagte legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vor dem Landesarbeitsgericht MV Berufung ein. Die zulässige Berufung war jedoch unbegründet und wurde vom Landesarbeitsgericht MV zurückwiesen.

Das Landesarbeitsgericht MV bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock und stellte fest, dass die personenbedingte Kündigung rechtmäßig war, weil sie durch Gründe in der Person der Klägerin bedingt war. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, da das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, § 1 Abs. 1 KSchG. Die Kündigung wäre rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist, § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG. Bei der Prüfung einer personenbedingten Kündigung aufgrund von häufigen Erkrankungen ist auf der ersten Stufe eine negative Gesundheitsprognose zu prüfen. Das heißt, es müssen zum Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die auf weitere Erkrankungen im bisherigen Umfang schließen lassen. Auf zweiter Stufe müssen die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Auf dritter Stufe ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, insbesondere ob die betrieblichen Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber dennoch hinzunehmen sind. Sofern in den vergangenen Jahren jährlich mehrere Erkrankungen aufgetreten sind, genügt es, wenn der Arbeitgeber zunächst die Fehlzeiten in der Vergangenheit darstellt und behauptet, auch in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten. Der Arbeitnehmer muss dann darlegen, warum zum Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Liegt ein solcher Vortrag vor, hat der Arbeitgeber den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen. Das Arbeitsgericht Rostock hat zu Recht entsprechend dem Vortrag der Beklagten aufgrund der erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten (im Durchschnitt 20% im Monat krankheitsbedingt abwesend) eine negative Gesundheitsprognose angenommen. Die Klägerin hingegen hat nicht dargelegt, dass mit ihrer baldigen Genesung zu rechnen war. Sie hat insbesondere nicht vorgetragen, warum ein erneutes Auftreten der Erkrankungen nicht zu erwarten sei. Wenngleich einzelne Erkrankungen zwischenzeitlich ausgeheilt waren, ist dennoch davon auszugehen, dass die Klägerin anfällig für bestimmte Krankheiten bleibt, insbesondere für die wiederholt diagnostizierten Infekte der oberen Atemwege. Auch dass eine Genesung in Bezug auf die ebenfalls wiederholt diagnostizierten Migräneerkrankungen zu erwarten war, hat die Klägerin nicht vorgetragen, so dass auch hier von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen war. Es sind daher auch künftig Fehlzeiten in einem erheblichen Umfang zu erwarten, welche auf der zweiten Stufe der Prüfung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten führen. Eine Beeinträchtigung liegt allein aufgrund der zu erwartenden erheblichen Entgeltfortzahlungskosten vor. Auch die betrieblichen Abläufe sind durch die Fehlzeiten der Klägerin erheblich gestört. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, eine Personalreserve für solche Ausfälle vorzuhalten. Die krankheitsbedingten Ausfälle sind dann kaum zu kompensieren und der Ablauf im Pflegeheim der Beklagten erheblich gestört. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung führt auch nicht dazu, dass die Beklagte die Beeinträchtigungen hinzunehmen muss. Berücksichtigung finden muss die kurze Beschäftigungsdauer und die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis von Beginn an durch krankheitsbedingte Fehlzeiten beeinträchtigt war. Das Interesse der Beklagten an einem störungsfreien und möglichst geregelten Ablauf am Pflegeheim überwiegt die Interessen der Klägerin insbesondere im Hinblick auf das höhere Lebensalter und das Vermittlungsrisiko in Bezug auf eine neue Beschäftigung. Ein milderes Mittel als die Kündigung war von der Beklagten nicht zu wählen, nachdem diese bereits zwei Maßnahmen zur betrieblichen Eingliederung durchgeführt hatte. Die krankheitsbedingten Fehlzeiten wurden hierdurch nicht reduziert.
Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates hat nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts MV stattgefunden.
Nach alledem war die gegenüber der Klägerin ausgesprochene personenbedingte Kündigung rechtswirksam.

Landesarbeitsgericht M-V, Urteil vom 28.11.2017 – 5 Sa 54/17

 

 

 

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