Nichteheliche Kinder als Erben – Gleichstellung mit ehelichen Kindern in Theorie & Praxis

Im Erbrecht wird seit dem 01.04.1998 nicht mehr zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschieden. Sowohl der so genannte Erbersatzanspruch als auch der vorzeitige Erbausgleich wurden mit diesem Datum abgeschafft und haben daher nur noch für Altfälle Bedeutung. Der weggefallene Erbersatzanspruch betraf Fälle, in denen eheliche und nichteheliche Kinder vorhanden waren. Die nichtehelichen Kinder wurden nicht am Nachlass beteiligt, sondern erhielten lediglich den gesetzlichen Erbteil (§§ 1934a ff. BGB a.F.). Dabei handelte es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch, den das nichteheliche Kind gegen die Erbengemeinschaft geltend machen konnte. Daneben konnte das nichteheliche Kind von seinem Vater noch vor Eintritt des Erbfalls den vorzeitigen Erbausgleich in Geld verlangen.

Anwendung der alten Rechtslage bei Rechtswahl?

Die vor dem 01.04.1998 geltende Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern kann aber dennoch eine Rolle spielen. Wenn beispielsweise ein Erblasser vor dem 01.04.1998 testamentarisch eine Rechtswahl für das deutsche Recht getroffen hat, stellt sich die Frage, ob das geänderte Erbrecht oder das zum Zeitpunkt des Testaments geltende Erbrecht anzuwenden ist. Diese Frage ist in erster Linie von der Auslegung des Testaments abhängig, namentlich, ob der Erblasser mit der Festlegung des Erbstatuts – so nennt man das anzuwendende Recht – eine so genannte statische oder eine dynamische Verweisung beabsichtigt hat.

Hintergrund: Eine statische Verweisung liegt dann vor, wenn die in Bezug genommene Quelle in der zum Zeitpunkt des Zustandekommens der Verweisung Anwendung finden soll. Spätere Änderungen der Quelle bleiben dann unberücksichtigt. Beispiel für eine statische Verweisung: „Es gilt § 1934a BGB in der Fassung vom 01.01.1997“. In diesem Fall gilt die genannte Norm in der Fassung vom 01.01.1997 und spätere Änderungen wirken sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Beispiel für eine dynamische Verweisung: „Es gilt § 1934a BGB in der jeweils geltenden Fassung“. Letzterenfalls sind spätere Änderungen der Norm zu beachten.

In Testamenten mit Rechtswahl werden sich nur in Ausnahmefällen klare Ansatzpunkte zugunsten einer statischen oder einer dynamischen Verweisung finden. Deshalb werden in der Regel die Umstände des Einzelfalls und der mutmaßliche Wille eine Rolle spielen. Da der Erblasser mit einer Rechtswahl regelmäßig den Wunsch zum Ausdruck bringt, dass die Erbschaft nach einer bestimmten Rechtsordnung behandelt werden soll, wird man die Rechtswahl in den meisten Fällen als dynamische Verweisung zu behandeln haben, sodass die Änderung des Erbrechts zugunsten nichtehelicher Kinder auch für Fälle mit Rechtswahl Anwendung finden wird. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine einmal getroffene Rechtswahl durch die Erben angefochten werden kann, etwa wenn sich der Erblasser über den Inhalt des Erbrechts geirrt hat.

Nichteheliche Kinder

Die rechtliche Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern ist eine Idealvorstellung, die mit der Praxis leider oft nicht viel zu tun hat. Nichteheliche Kinder sind praktisch nach wie vor benachteiligt, denn der Weg zu ihrem Recht ist beschwerlich und manchmal ohne Ergebnis. Die Schwierigkeiten nehmen regelmäßig zu, je weiter sich Erbe und Erblasser voneinander entfernt haben. Sofern es an einer Vaterschaftsanerkennung fehlt, gilt die für eheliche Kinder geltende gesetzliche Vermutung der Vaterschaft nicht (vgl. § 1592 Nummer 1 BGB). Danach gilt derjenige Mann als Vater eines Kindes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist. Für nichteheliche Kinder existiert eine solche Vermutung nicht.

Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft

Möglichkeiten zum Nachweis der Erbenstellung sind:

  • Beschaffung einer Vaterschaftsanerkennung
  • Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft (§ 1600d BGB, § 182 Absatz 1 FamFG, FGG)

Sofern eine Vaterschaftsanerkennung nicht beschafft werden kann, bleibt dem nichtehelichen Kind nur die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft. In einem solchen Verfahren gilt die Vermutung, dass derjenige Mann, der der Mutter in der Empfängniszeit beigewohnt hat, der Vater ist (§ 1600d Absatz 2 BGB). Dabei steht der anachronistisch anmutende Begriff „Beiwohnung“ für Geschlechtsverkehr. Die Empfängniszeit ist gesetzlich definiert als Zeitraum vom 300. bis zum 181. Tag vor der Geburt. Sofern das Kind keine Informationen über die Zeit der Empfängnis beschaffen kann, steht ihm ein Auskunftsanspruch gegen die Eltern bzw. gegen den mutmaßlichen Vater zu. Sofern das Verfahren ergebnislos verläuft, stehen dem Kind keine weiteren Möglichkeiten zu, insbesondere kann das Kind vom mutmaßlichen Vater nicht die Einwilligung in einen Gentest verlangen, denn diese Möglichkeit besteht nur zur Klärung der leiblichen Abstammung bei rechtlichen Eltern, also solchen, deren Elternschaft kraft gesetzlicher Vermutungsregelung besteht (vgl. § 1598a BGB). Davon abgesehen existiert in der deutschen Rechtsordnung kein Anspruch des Kindes, die leibliche Abstammung mit einer genetischen Untersuchung feststellen zu lassen. Wer also meint, den richtigen Vater gefunden zu haben, kann Zweifel nur über eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft (§ 1600d BGB) ermitteln lassen. Zu einem Gentest kann der vermeintliche Vater aber nicht gezwungen werden. Das Kind hat daher nur dann eine Chance auf Feststellung der Vaterschaft, wenn es über Informationen dazu verfügt, ob der mutmaßliche Vater zur Zeit der Empfängnis mit der Mutter Geschlechtsverkehr gehabt hat. Regelmäßig ist das aber nur dann Erfolg versprechend, wenn zumindest ein Elternteil diese Kenntnis hat und kooperiert.

Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft ist oft zeitraubend. Wenn ein solches Verfahren erst nach dem Erbfall in Angriff genommen wird, besteht die Gefahr, dass das Erbe bei Abschluss des Verfahrens nicht mehr vorhanden ist, weil die anderen Erben es bereits untereinander aufgeteilt und verbraucht haben. Zwar bietet das Gesetz Möglichkeiten, dies zu verhindern, bis hin zu Schadensersatzansprüchen gegen die voreiligen Erben. Das nützt praktisch aber wenig, wenn keine Informationen über die Erbmasse vorhanden sind. Nichteheliche Kinder sollten daher so schnell wie möglich handeln. Sofern hinreichende Ansatzpunkte für eine Vaterschaft und die Gefährdung des Erbes vorhanden sind und glaubhaft gemacht werden können, kann die Erbauseinandersetzung mit einer einstweiligen Verfügung vorübergehend verhindert werden.