Wohnungseigentümer haben keinen Anspruch auf ein Balkonkraftwerk an der Außenseite ihrer Balkone. Das hat das Amtsgericht Konstanz entschieden. In dem Fall stritten sich Wohnungseigentümer über die Wirksamkeit eines Beschlusses. Der Beschluss sah vor, dass die Hausverwaltung gegen Eigentümer vorgehen soll, die an ihren Balkonen PV-Balkonkraftwerke haben. Das Amtsgericht bestätigte den Beschluss. Das Balkonkraftwerk muss weg. 

Energiewende ohne WEG

Angesichts der drohenden Klimakatastrophe überrascht die Entscheidung. Schließlich hatte das Amtsgericht Stuttgart im Jahr 2021 entschieden, dass Mieter ein Balkonkraftwerk betreiben dürfen (AG Stuttgart – 37 C 2283/20, mehr dazu hier). Mit Balkonkraftwerken kann zumindest ein Teil des Tagesstromverbrauchs erzeugt werden. Das spart Geld, entlastet die Netze und verringert die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Aber die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss eine Veränderung der äußeren Erscheinung des Hauses nicht dulden. 

Nachteilige Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes

Das Konstanzer Amtsgericht entschied, dass die Schwelle für die Annahme einer nachteiligen Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes nicht hoch ist. Im konkreten Fall reicht dafür bei einer 920 Quadratmeter großen Fassade ein bloß 1,7 Quadratmeter großes PV-Modul. Weder aus dem Wohnungseigentumsgesetz noch dem BGB lasse sich eine Duldungspflicht herleiten. Eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Anbringung von Lademöglichkeiten für Elektro-Fahrzeuge, Wallboxen, kommt nicht in Betracht, da darin PV-Anlagen gerade nicht geregelt sind. Auch aus Art. 20a GG können einzelne Wohnungseigentümer keine Duldungspflichten herleiten. Denn dabei handele es sich um eine Staatszielbestimmung, die keine individuellen Ansprüche begründet.

Überragendes öffentliches Interesse

Das Amtsgericht hat eine wichtige Vorschrift übersehen. § 2 EEG 2023 bestimmt seit dem 01.01.2023, dass Erneuerbare-Energien-Anlagen im überragenden öffentlichen Interesse sind. Auch ein PV-Balkonkraftwerk fällt unter den Anwendungsbereich der Vorschrift. Wenn Gerichte Abwägungen vornehmen, und das ist bei der Ermittlung, ob eine nachteilige Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes vorliegt, zweifelsfrei der Fall, ist § 2 EEG 2023 mit hohem Gewicht zu berücksichtigen. Die Begründung der Entscheidung ist daher unzureichend.

Ob das Gericht bei Berücksichtigung von § 2 EEG 2023 zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, ist nicht sicher. Fakt ist aber, dass in Zweifelsfällen für die Erneuerbaren Energien zu entscheiden ist. 

AG Konstanz, Urteil vom 09.02.2023 – 4 C 425/22 WEG

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