Ist in den Versicherungsbedingungen einer Gebäudeversicherung bei Überschwemmung der Ersatz von Schäden aufgrund einer Sturmflut ausgeschlossen, gilt dies nur, wenn die Schäden unmittelbar auf die Sturmflut zurückzuführen sind. Kommt es wegen der Sturmflut an der Küste zum Übertreten eines angrenzenden Flusses, greift die Ausschlussklausel nicht. Dieses Urteil fällte das Kammergericht Berlin (KG Berlin) am 26.07.2019 (6 U 139/18).
Bei witterungsbedingten Überschwemmungen kommt es an und in den betroffenen Gebäuden häufig zu Schäden in immenser Höhe. Viele Eigentümer versuchen sich bestmöglich abzusichern und schließen für diese Fälle entsprechende Gebäudeversicherungen ab. Kommt es zu einem Schadensfall, herrscht dennoch häufig Streit darüber, ob das konkrete Schadensereignis von der Versicherung abgedeckt ist oder nicht.
In dem hier vom KG Berlin entschiedenen Fall stritt der Eigentümer eines Hauses in Rostock mit seiner Gebäudeversicherung über den Ersatz eines Überschwemmungsschadens.
Im Januar 2017 gab es einen heftigen Sturm an der Ostseeküste. Aufgrund dieses auflandigen Sturms kam es in der Warnow, die in Warnemünde in die Ostsee mündet, zu einem so genannten Badewanneneffekt. Die Warnow konnte nicht mehr bestimmungsgemäß in die Ostsee abfließen und trat über die Ufer. Ca. 16 km von der Küste entfernt, wo sich das Gebäude des Klägers befindet, uferte die Warnow ebenfalls noch aus und überschwemmte das Erdgeschoss des streitgegenständlichen Gebäudes.
Der Eigentümer verlangte von seiner Gebäudeversicherung den Ersatz des entstandenen Schadens. Die Versicherung lehnte jedoch ab. Sie verwies auf die geltenden Versicherungsbedingungen und die darin enthaltene Ausschlussklausel für Sturmfluten. Hierin heißt es unter anderem: „Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch … Sturmflut…“.
Der Eigentümer erhob Klage vor dem zuständigen Landgericht. Das Landgericht gab dem Kläger Recht. Die Ausschlussklausel gelte nicht, da die Schäden nicht unmittelbar auf eine Sturmflut zurückzuführen sind. Die Versicherung legte gegen das Urteil Berufung ein. Über die Berufung hatte nun das KG Berlin zu entscheiden.
Das KG Berlin wies die Berufung zurück. Die vom Kläger geltend gemachten Schäden sind nicht von der Ausschlussklausel umfasst. Unmittelbare Ursache der Schäden war nicht die Sturmflut, so das KG Berlin. Das zuvor ergangene Urteil des Landgerichts war daher nicht zu beanstanden.
Nach Auffassung des KG Berlin war die Ausschlussklausel nicht anzuwenden. Die Frage, ob überhaupt eine Sturmflut vorgelegen hat, war zwischen den Parteien heftig umstritten. Das KG Berlin lässt diesen Streit dahinstehen, da die Schäden jedenfalls nur mittelbar auf eine etwaige begrifflich vorliegende Sturmflut zurückzuführen sind.
Die Überschwemmungen hatten ihre Ursache in der Ausuferung des Flusses Warnow. Die Warnow konnte aufgrund der starken auflandigen Winde nicht mehr bestimmungsgemäß in die Ostsee abfließen. Es kam zu einem Anstau des Flusswassers und anschließend zu einer Ausuferung des Flusswassers auf das versicherte Grundstück.
Nach Auffassung des KG Berlin war dies in jedem Fall nur die mittelbare Ursache einer möglicherweise begrifflich vorliegenden Sturmflut. Damit greift die Ausschlussklausel nicht, so das KG Berlin.
Für die Auslegung einer Versicherungsklausel gelten die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze. Hiernach sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, „wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann“. Hierauf weist das KG Berlin hin.
„Aus dem gesamten Wortlaut des Ausschlusstatbestandes, dem Sinnzusammenhang und dem für den VN erkennbaren Zweck“ ergibt sich, dass eine mittelbare Verursachung „aus der Sicht des durchschnittlichen VN“ nicht ausreichend ist, so das KG Berlin.
Hier war das Ausufern der Warnow die unmittelbare Ursache der Überschwemmung. Somit kam nach Auffassung des KG Berlin eine etwaige Sturmflut als unmittelbare Ursache nicht in Betracht. Die Ausschlussklausel war daher nicht anzuwenden, so die Richter.
Da im Übrigen die für die Überschwemmung geltenden Versicherungsbedingungen erfüllt waren, muss die Versicherung dem Kläger den entstandenen Schaden ersetzen, so das Urteil des KG Berlin.
Das KG Berlin ließ jedoch ausdrücklich die Revision gegen das Urteil zu, weil die hier vereinbarten Versicherungsbedingungen bundesweit Verwendung finden und die Auslegung der streitgegenständlichen Ausschlussklausel bei Schäden durch Sturmflut grundsätzlich klärungsbedürftig erscheint.
In der Kommentarliteratur wird der Begriff der Sturmflut unterschiedlich definiert. Auch die Frage der Kausalität wird unterschiedlich bewertet. Aus diesem Grund herrscht eine große Rechtsunsicherheit, so das KG Berlin. Die Revision war daher zuzulassen.
Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof im Falle einer Revision ein Grundsatzurteil fällt.
KG Berlin, Urteil vom 26.07.2019 – 6 U 139/18
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