Mitarbeiter liest private E-Mail seines Vorgesetzten – Fristlose Kündigung (LArbG Köln, Urt. v. 02.11.2021– 4 Sa 290/21)

Wer private E-Mails seines Vorgesetzten liest und diese womöglich auch noch an einen Kollegen weiterleitet, muss mit der fristlosen Kündigung rechnen. Dies gilt auch dann, wenn eine Zugriffsberechtigung auf das E-Mail-Konto vorliegt. Über die Rechtmäßigkeit einer solchen fristlosen Kündigung hat das Landesarbeitsgericht Köln (LArbG Köln) am 02.11.2021 entschieden (4 Sa 290/21).

Klage einer Angestellten

Dem Urteil lag ein brisanter Fall zu Grunde. Die Klägerin arbeitete seit über 20 Jahren für einen evangelischen Kirchenkreis. Dort war sie als Küsterin beschäftigt und übernahm auch Aufgaben der Buchhaltung. In diesem Zusammenhang hatte die Klägerin Zugriff auf das E-Mail-Konto der Gemeinde und des Pfarrers.

Verhältnis zwischen Pfarrer und Asylbewerberin

Im Jahr 2019 gewährte die Gemeinde einer Asylbewerberin Kirchenasyl. Zwischen der Asylbewerberin und dem Pfarrer der Gemeinde entwickelte sich offensichtlich eine Beziehung. Wie genau die Beziehung aussah, war jedoch zwischen den Beteiligten höchst umstritten.

Die Asylbewerberin litt unter psychischen Problemen. Im Raum standen darüber hinaus Vorwürfe gegen den Pfarrer. Dieser soll gegenüber der Frau sexuell übergriffig geworden sein. Die Lage spitzte sich zu, als die Frau einen Suizidversuch unternahm. Die Frau kam schließlich in einer anderen Gemeinde unter.

Angestellte liest private E-Mails ihres Vorgesetzten

Die Klägerin erfuhr von den Vorfällen und führte diverse persönliche Gespräche mit der Asylbewerberin. Als sie dienstliche E-Mails abrief, stieß sie auch auf eine an den Pfarrer persönlich gerichtete E-Mail. Hierin ging es um ein gegen ihn eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Die Klägerin las die E-Mail und druckte sie anschließend aus.

Sehr interessant war auch eine weitere Mail, deren Bezeichnung auf den privaten Chatverlauf zwischen dem Pfarrer und der Asylbewerberin hinwies. Neugierig geworden, las die Klägerin auch diese E-Mail einschließlich Anhang, der tatsächlich den privaten Chatverlauf enthielt. Diese Mail druckte die Klägerin ebenfalls aus.

Weitergabe der privaten E-Mails

Den Chatverlauf speicherte die Klägerin auf einem USB-Stick. Ca. eine Woche später übergab die Klägerin den Stick an eine Bekannte, die als Gemeindemitglied auch Gottesdienste mitgestaltete. Zu guter Letzt ließ die Klägerin den Chatverlauf der Staatsanwaltschaft zukommen.

Wegen der Vorwürfe wurde der Pfarrer vorübergehend beurlaubt. Einige Monate war es dann relativ ruhig in der Gemeinde. Allerdings wurde in den Gemeindesitzungen thematisiert, dass es offensichtlich unberechtigte Zugriffe auf den E-Mail-Account der Gemeinde gegeben hat.

Im Jahr 2020 teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Pfarrer eingestellt wurde. In diesem Zusammenhang erfuhr die Kirchgemeinde, dass die Klägerin auf die privaten E-Mails des Pfarrers zugegriffen hatte.

Fristlose Kündigung

Sie erhielt daraufhin -nach erfolgter Anhörung- die fristlose Kündigung. Hiermit war die Klägerin überhaupt nicht einverstanden, da sie nach eigener Aussage in guter Absicht handelte. Schließlich wollte sie die Asylbewerberin vor weiteren Übergriffen schützen und vor einem möglichen zweiten Suizidversuch bewahren, so die Klägerin.

LArbG Köln: Fristlose Kündigung rechtmäßig!

Das LArbG bestätigte nun die fristlose Kündigung. Nach Auffassung des Gerichts lag ein wichtiger Grund für die außerordentliche fristlose Kündigung vor. Bereits das Lesen der privaten E-Mails stellen einen solchen wichtigen Grund dar. Jedenfalls mit dem Ausdrucken und der Weitergabe der E-Mails an die Bekannte hat die Klägerin einen solch erheblichen Pflichtverstoß begangen, dass hierfür die fristlose Kündigung ausgesprochen werden kann.

Abmahnung nicht erforderlich

Nach Auffassung des Gerichts wäre auch nicht eine Abmahnung als milderes Mittel vorrangig gewesen. Bei der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls überwog das Aufhebungsinteresse der Kirchgemeinde.

Das Gericht weist darauf hin, dass die gute Absicht der Klägerin, die Asylbewerberin zu schützen, nicht überzeugen kann. Denn weder mit dem Ausdrucken noch dem Weiterleiten der E-Mails konnte die Klägerin ihr Ziel erreichen. Dies muss ihr auch klar gewesen sein.

Gleiches gilt für den von der Klägerin angeführten Zweck der Beweissicherung.

Gefahr der Weitergabe privater E-Mails auch in Zukunft

Zudem ist nach Auffassung des Gerichts durchaus denkbar, dass die Klägerin auch in Zukunft -aus welchen Gründen auch immer- private Mails sichtet und unberechtigt an Dritte weitergibt. Eine Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ohne Zugriffsberechtigung auf Daten ist als milderes Mittel nicht ersichtlich, so das LArbG.

Die fristlose Kündigung war somit wirksam. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) hat das LArbG Köln nicht zugelassen. Allerdings legte die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde ein. Ob der Streit nun doch noch vor dem BAG landet, bleibt abzuwarten.

LArbG Köln, Urteil vom 02.11.2021– 4 Sa 290/21

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