Das im Land Hessen gegenüber einer Rechtsreferendarin ausgesprochene Kopftuchverbot für bestimmte dienstliche Tätigkeiten verstößt nicht gegen die Verfassung. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde gegen das Kopftuchverbot wies das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 14.01.2020 zurück (2 BvR 1333/17).
Die Beschwerdeführerin absolvierte im Land Hessen ihr Rechtsreferendariat. Sie trug aus religiösen Gründen in der Öffentlichkeit ein Kopftuch.
Bevor sie das Referendariat begann, erhielt sie vom Oberlandesgericht ein Hinweisblatt für den juristischen Vorbereitungsdienst. Hieraus ging hervor, dass sich die Rechtsreferendare gegenüber Bürgerinnen und Bürgern religiös neutral zu verhalten haben. Hierzu gehört, dass sie kein Kopftuch bei Tätigkeiten tragen dürfen, in denen sie als Repräsentanten der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden könnten.
Die Referendarin fühlte sich in ihren Grundrechten, insbesondere in ihrer Glaubensfreiheit verletzt und war der Auffassung, das Kopftuchverbot verstoße gegen die Verfassung.
Sie stellte beim zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Dieser wurde vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof in der Beschwerdeinstanz zurückgewiesen. Die Referendarin legte Verfassungsbeschwerden beim BVerfG ein.
Nach dem Urteil des BVerfG liegt zwar ein Eingriff in die Glaubensfreiheit vor (Artikel 4 Grundgesetz), dieser ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung folgt hier aus den Grundsätzen der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, so das BVerfG.
Aus diesem Grund verstößt nach dem Urteil des BVerfG die hier streitgegenständliche Regelung im Landesrecht Hessen, sich im Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, nicht gegen die Verfassung.
Mit dem Kopftuchverbot im Rechtsreferendariat wird zwar nach Auffassung des BVerfG auch in die Ausbildungsfreiheit aus Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz eingegriffen. Dieser Eingriff ist jedoch ebenso wie der Eingriff in die Glaubensfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Die Ausbildungsfreiheit garantiert insbesondere keinen weitergehenden Schutz, als die schrankenlos gewährte Glaubensfreiheit, so das BVerfG. Gleiches gilt für den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz.
Der Pressemitteilung des BVerfG ist zu entnehmen, dass die Entscheidung im Senat alles andere als einheitlich ergangen ist.
So geht ein Richter des Zweiten Senats davon aus, dass die Eingriffe in die Glaubensfreiheit und die Ausbildungsfreiheit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sind.
Nach Ansicht dieses Richters handelt es sich bei Rechtsreferendaren, anders als bei Richtern oder Staatsanwälten, erkennbar um Personen, die nur zu Ausbildungszwecken also vorübergehend in der Justiz tätig sind. Aus diesem Grund komme ihnen, so der Richter, richterliche Unabhängigkeit oder staatsanwaltliche Verantwortung nicht zu.
Daher komme der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates ein erheblich geringeres Gewicht zu, als auf der anderen Seite der Glaubensfreiheit und der Ausbildungsfreiheit, so der Richter.
Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. So ist für die Öffentlichkeit, insbesondere beim staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst, in der Regel gerade nicht zu erkennen, ob es sich um einen Referendar oder einen Staatsanwalt handelt. Sitzungsdienste werden insbesondere ohne Beisein des betreuenden Staatsanwaltes wahrgenommen.
Hinzu kommt, dass die Öffentlichkeit, so auch das Argument des Senats, ein Anrecht darauf hat, dass die „justiziellen Grundbedingungen auch dann gelten, wenn der Staat Aufgaben zu Ausbildungszwecken überträgt“.
BVerfG, Beschluss vom 14.01.2020 – 2 BvR 1333/17
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