Bei Verstößen gegen Corona-Beschränkungen stellen sich viele Menschen die Frage, ob sich das Gesundheitsamt oder die Polizei gegen den Willen der Bewohner Zutritt zu einer Wohnung verschaffen können.
Besuchsbeschränkungen gehören ebenso dazu wie das Verbot von Feiern mit mehreren Gästen. Wer verbotswidrig mehr als einen Gast in die Wohnung lässt, muss damit rechnen, dass das Gesundheitsamt oder die Polizei dem Verstoß nachgehen.
Polizei und Gesundheitsamt werden auf Verstöße regelmäßig dann aufmerksam, wenn es einen entsprechenden Tipp gibt, z. B. von Nachbarn. Wenn Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Corona-Beschränkungen vorliegen, sind Polizei und Gesundheitsamt verpflichtet, Maßnahmen zur Erforschung und Beendigung des Verstoßes zu treffen.
Ob die Anhaltspunkte hinreichend sind, ist abhängig vom Einzelfall. Dringen aus einer Wohnung laute Musik und Stimmen mehrerer Leute, kann das für eine verbotene Party sprechen. Dass reicht allerdings für sich genommen nicht aus, wenn in der Wohnung mehrere Menschen wohnen. Denn das Feiern mit Personen des eigenen Hausstands ist auch in Corona-Zeiten erlaubt. In einem solchen Fall müssten schon weitere Anhaltspunkte hinzu kommen, z. B. Beobachtungen durch einsehbare Fenster oder eine Vielzahl von auf dem Hausflur abgestellten Schuhen.
Wer mit Hinweis auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) meint, dass Gesundheitsamt oder Polizei nicht die Wohnung betreten dürfen, irrt. Denn das Grundrecht gilt nicht grenzenlos. Das Grundrecht bietet keinen Schutz vor Durchsuchungen mit richterlichem Beschluss (Art. 13 Absatz 2 GG). Entbehrlich ist ein richterlicher Beschluss sogar bei „Gefahr im Verzug“, d.h. einem Zustand, bei dem eine Rechtsverletzung unmittelbar bevorsteht oder andauert und die Zeit nicht ausreicht, eine richterliche Entscheidung einzuholen. In solchen Fällen lässt das Grundrecht zu, dass die zuständigen Organe auch gegen den Willen der Bewohner eine Wohnung betreten. Allerdings dürfen sie das nur auf Grundlage eines Gesetzes.
Wenn das Gesundheitsamt oder die Polizei ohne den Willen der Bewohner eine Wohnung betreten oder durchsuchen wollen, dürfen sie das nur auf Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
Eine Ermächtigungsgrundlage für ein Betreten bzw. eine Hausdurchsuchung aufgrund eines Corona-Verstoßes findet sich in § 16 Absatz 2 IfSG. Dabei handelt es sich um eine Vorschrift des speziellen Gefahrenabwehrrechts. Die Vorschrift setzt die Feststellung von Ansteckungsgefahren voraus oder von Umständen, die eine solche Annahme rechtfertigen. Für „Ermittlungen“ darf das Gesundheitsamt Wohnungen betreten und Bewohner sind verpflichtet, Zutritt zu gewähren (§ 16 Absatz 2 IfSG). Verweigern sie das, darf Zwang angewendet werden. Das Aufbrechen der Tür ist davon ebenso umfasst wie das Beiseiteschieben von Bewohnern, die den Weg versperren.
Bei einer normalen Party dürfte eine Hausdurchsuchung nach § 16 IfSG aber regelmäßig nicht in Betracht kommen. Voraussetzung wäre nämlich das Vorliegen von Anhaltspunkten für konkrete Ansteckungsgefahren. Solche Anhaltspunkte bestehen, wenn Gäste nachweislich infiziert sind oder explizit zu einer Corona-Party eingeladen, bei der die Anwesenheit infizierter Gäste anzunehmen ist.
Dass das Gesundheitsamt die Wohnung für „Ermittlungen“ betreten darf, bedeutet nicht, dass die für eine Ansteckungsgefahr sprechenden Anhaltspunkte erst durch ein Betreten der Wohnung ermittelt werden dürfen. Denn das nach der Vorschrift zulässige Betreten zum Zwecke der Ermittlungen setzt das Vorliegen von Anhaltspunkten für Ansteckungsgefahren voraus. Die Anhaltspunkte müssen daher bereits vor dem Betreten vorliegen.
Eine weitere Ermächtigungsgrundlage findet sich in § 28 IfSG für Schutzmaßnahmen. Für Schutzmaßnahmen dürfen auch Wohnungen betreten werden. Aber hierfür ist die Feststellung erforderlich, dass Kranke, Krankheitsverdächtige oder Ausscheider vorhanden sind. Ohne eine solche Feststellung, an der es bei einer normalen Party in der Regel fehlen dürfte, kommt ein Betreten der Wohnung gegen den Willen der Bewohner nicht in Betracht.
Daneben könnte sich das Gesundheitsamt aber auch auf die polizeirechtliche Generalklausel berufen. Diese Ermächtigungsgrundlage ist in den landesrechtlichen Polizeigesetzen enthalten und berechtigt die Behörde zur Ergreifung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr.
Beispiele: § 8 PolG NRW, § 11 POG Nds., Art. 11 PAG Bayern, § 13 SOG M-V.
Auf die Polizeigesetze darf sich nicht bloß die Polizei berufen, sondern auch die Fachbehörden. Denn diese sind für ihren speziellen Bereich neben der Polizei als Gefahrenabwehrbehörde zuständig. Für den Bereich des Infektionsschutzes ist das Gesundheitsamt die zuständige Behörde.
Voraussetzung für ein Einschreiten nach der polizeirechtlichen Generalklausel ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Unter öffentlicher Sicherheit ist die Unverletztheit der Rechtsordnung zu verstehen, zu der auch die Verbote der Corona-Schutzverordnung zählen, sodass Verstöße gegen Corona-Beschränkungen zugleich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründen.
Bei der polizeirechtlichen Generalklausel handelt es sich aber um einen Auffangtatbestand, der nur dann Anwendung findet, wenn es keine spezielleren Vorschriften gibt. Speziellere Vorschriften für das Betreten und Durchsuchen von Wohnungen sind aber in den Polizeigesetzen der Länder enthalten.
Bei den speziellen Vorschriften zum Betreten und Durchsuchen handelt es sich um Landesrecht. In den 16 Bundesländern gibt es unterschiedliche Regelungen, die aber im wesentlichen ähnliche Regelungen enthalten.
Ein Beispiel ist § 24 PolG NRW: Das Betreten von Wohnungen und Hausdurchsuchungen sind ohne den Willen der Bewohner nur unter strengen Voraussetzungen gestattet. Etwa dann, wenn sich eine in Gewahrsam zu nehmende Personen oder sicherzustellende Sachen dort befinden, eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person besteht oder wenn von der Wohnung potenziell gesundheitsschädlicher Lärm ausgeht (vgl. § 24 Absatz 1 PolG NRW).
Bei einer unter Verstoß gegen Corona-Vorschriften durchgeführten Party ist eine Gefahr für Leib und Leben der Partygäste in Betracht zu ziehen (§ 24 Absatz 1 PolG NRW). Allerdings ist eine Gefahr für Leib und Leben der Partygäste sogar bei Vorliegen einer Corona-Infektion eher fernliegend, da die Infektion gerade bei jungen Menschen in den meisten Fällen mild verläuft.
Wer gegen Corona-Beschränkungen verstößt, kann, jedenfalls bei fortgesetzter Begehung, in Gewahrsam genommen werden, was ein Betreten der Wohnung rechtfertigen kann (§ 24 Absatz 1 PolG NRW). Das setzt allerdings voraus, dass der Delinquent bereits mehrfach mit gleichartigen Ordnungswidrigkeiten aufgefallen ist. Und selbst wenn das der Fall ist, darf ein Betreten und Durchsuchen der Wohnung in NRW nicht zur Nachtzeit stattfinden, vgl. Art. § 41 Absatz 2 PolG NRW.
Die Dauer der Nachtzeit ergibt sich aus § 104 Absatz 3 StPO.
21:00-4:00 Uhr (01.04.-30.09.)
21:00-6:00 Uhr (01.10.-31.03.)
Naheliegender sind Verstöße gegen Lärmvorschriften, denn diese rechtfertigen ein Betreten der Wohnung auch in der Nacht (§ 24 Absatz 1 PolG NRW). Wer sich leise verhält, hat eine Hausdurchsuchung aber nicht zu befürchten.
In anderen Bundesländern rechtfertigt außerdem eine dringende Gefahr für bedeutende Rechtsgüter ein Betreten oder Durchsuchen der Wohnung (vgl. Art. 23 PAG Bayern). Danach kommt ein Betreten der Wohnung bei einer Corona-Party schon eher in Betracht, denn beim Leben einer Vielzahl von Personen, die durch eine ungezügelte Infektionsausbreitung gefährdet sind, handelt es sich Zweifels ohne um ein bedeutendes Rechtsgut. Gleiches gilt für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens, das bei zu vielen ernsthaft Erkrankten in die Knie gezwungen wird.
Ob eine einzelne Party eine dringende Gefahr für die bedeutenden Rechtsgüter begründen kann, ist aber zu bezweifeln, da weder das Leben noch das Funktionieren des Gesundheitssystems unmittelbar gefährdet sind. Zu bedenken sind allerdings die Gefahren der Infektionsketten und Nachahmungseffekte. Allerdings handelt es sich hierbei eher um mittelbare Effekte, die wohl nicht “dringend” im Sinne des Polizeirechts sind.
Maßnahmen der Gesundheitsämter und der Polizei müssen verhältnismäßig sein. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit stellt eine Art Feinsteuerung dar. Sie hat zum Inhalt, dass die Maßnahmen nur zur Erreichung eines legitimen Ziels anzuwenden sind und zur Zielerreichung geeignet, erforderlich und angemessen sein müssen. Ob diese Anforderungen erfüllt sind, ist eine Frage des Einzelfalls.
Bei Eingriffen in sensible Grundrechte, zu denen auch die Unverletztheit der Wohnung nach Art. 13 GG zählt, legen die Gerichte einen besonders strengen Maßstab an. Da beim Betreten der Wohnung ohne den Willen der Bewohner zugleich in erheblicher Weise Persönlichkeitsrechte nach Art. 2 Absatz 1 i.V.m. Art. 1 Absatz 1 GG betroffen sind, ist die Verhältnismäßigkeit selbst bei Vorliegen aller tatbestandlichen Voraussetzungen eine hohe Hürde.
Wer mit einer Feier gegen Corona-Beschränkungen verstößt, hat in der Regel nicht zu befürchten, dass das Gesundheitsamt oder die Polizei die Wohnung betreten oder durchsuchen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Feier keinen zu großen Lärm verursacht. Dass das geltende Recht den Ordnungsbehörden die Durchsetzung von Corona-Beschränkungen so schwer macht, erscheint grotesk. Denn man fragt sich nach dem Sinn der strengen Verbote, wenn sie praktisch nicht durchsetzbar sind. Diese Situation ist letzlich die Entscheidung der Politiker, die offenbar mehr auf die Einsicht der Menschen hoffen als auf die Durchsetzung der Partyverbote.
Was bei Mitarbeitern der Gesundheitsämter und Polizisten zu Frust führt, hat aber einen anderen handfesten Hintergrund: Die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für das Betreten und die Durchsuchung von Wohnungen hätte mit Sicherheit zu einer emotionalen öffentlichen Diskussion geführt, die man sich lieber ersparen möchte. Rechtlich wäre die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für das Betreten von Wohnungen zur Durchsetzung des Partyverbots ohne Weiteres möglich: Art. 13 Absatz 7 GG lässt dies bei dringenden Gefahren zu. Sogar die Bekämpfung von Seuchengefahr ist in dem Grundgesetzartikel explizit genannt.
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