Das Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann Einsicht in das Grundbuch eines anderen Miteigentümers verlangen, wenn die Aufhebung der WEG vereinbart wurde. Ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht besteht insbesondere, wenn im Grundbuch des anderen Miteigentümers Belastungen eingetragen sind, die für die Aufhebung der WEG hinderlich sind. So entschied das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen (OLG Bremen) am 07.02.2020 (3 W 1/20).
Nach § 12 Absatz 1 Satz 1 Grundbuchordnung (GBO) kann jeder Einsicht in das Grundbuch verlangen, wenn er ein berechtigtes Interesse darlegt. Wann ein berechtigtes Interesse vorliegt, ist regelmäßig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.
Nach der Rechtsprechung ist ein berechtigtes Interesse dann anzunehmen, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird. Es genügt ein tatsächliches oder wirtschaftliches Interesse, ein rechtliches Interesse ist nicht erforderlich.
Reine Neugier oder die Verfolgung unbefugter Zwecke hingegen begründen kein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht (OLG München, Beschluss vom 27.02.2019, 34 Wx 28/19).
In der Rechtsprechung umstritten ist die Frage, ob ein Miteigentümer in das Grundbuch eines anderen Miteigentümers einsehen darf, insbesondere in Abteilung III des Grundbuchs, in der Grundpfandrechte wie Hypotheken und Grundschulden eingetragen sind. Ob hier ein Einsichtsrecht gegeben sein kann, wurde von den Gerichten bisher unterschiedlich entschieden.
Das OLG Bremen hatte nun über das Einsichtsrecht einer Miteigentümerin in Abteilung III des Grundbuchs eines anderen Miteigentümers zu entscheiden. Die Besonderheit hier war jedoch, dass die Antragstellerin und der andere Miteigentümer nicht nur über die WEG miteinander waren, sondern darüber hinaus durch einen Aufhebungsvertrag.
Die Miteigentümer hatten einen notariellen Vertrag zur Aufhebung der WEG geschlossen. In diesem Vertrag waren alle Miteigentumsanteile mit etwaigen Belastungen in Abteilung II und III des Grundbuchs eingetragen. Der Aufhebungsvertrag konnte jedoch nicht vollzogen werden, da im Hinblick auf den Eigentumsanteil des beklagten Miteigentümers nach Abschluss des Aufhebungsvertrages eine weitere Belastung in Abteilung III eingetragen wurde.
Die Antragstellerin beantragte nun die Einsicht in Abteilung III des Grundbuchs, um zu erfahren, welche Belastung nach Abschluss des Aufhebungsvertrages hinzugekommen war. Sie wollte insbesondere erfahren, warum die Vollziehung des Aufhebungsvertrages nicht möglich ist. Der Antrag wurde vom Grundbuchamt abgelehnt.
Nach Auffassung des OLG Bremen hat die Miteigentümerin sowohl ein rechtliches als auch ein wirtschaftliches Interesse an der Einsicht ins Grundbuch. Das Interesse zu erfahren, aufgrund welcher Belastung einschließlich der Höhe die Auseinandersetzung der WEG nicht möglich sein soll, ist ein nachvollziehbares berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch. Hierauf weist das OLG Bremen in seinem Urteil hin.
„Von der Kenntnis des Grundbuchstandes kann ihr zukünftiges Handeln bestimmt sein, weil sie u.U. mit dem Gläubiger in Verhandlung treten und eine Beschränkung erreichen, bei entsprechenden wirtschaftlichen Gegebenheiten (insbesondere der Forderungshöhe) selbst dessen Befriedigung vornehmen oder –bei unberechtigter Eintragung- die Löschung voranbringen könnte“, so das OLG Bremen.
Auch das Argument, die Miteigentümerin könne im Wege der Auskunftsklage den anderen Miteigentümer auf Auskunft im Hinblick auf die Eintragung im Grundbuch verklagen, spricht nach dem Urteil des OLG Bremen nicht gegen das Einsichtsrecht nach § 12 Absatz 1 Satz 1 GBO.
Das OLG Bremen begründet dies damit, dass es nach § 12 GBO eben keine Einschränkung des Einsichtsrechts auf Fälle gibt, in denen die benötigte Auskunft nicht anderweitig verlangt werden kann.
Die Miteigentümerin muss nicht auf den teuren Weg der Auskunftsklage verwiesen werden, so das OLG Bremen. Sie hat ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht nach § 12 Absatz 1 Satz 1 GBO. Das Grundbuchamt muss nach der Entscheidung des OLG Bremen der Miteigentümerin daher einen unbeglaubigten Grundbuchauszug für das Grundstück des anderen Miteigentümers erteilen, insbesondere in Bezug auf die Eintragungen in Abteilung III.
OLG Bremen, Beschluss vom 07.02.2020 – 3 W 1/20
Wer sich nach getaner Arbeit duscht oder wäscht, kann hierfür unter Umständen Vergütung verlangen. Das…
Wer als Fahrgast in einem Linienbus mitfährt, sollte sich einen Sitzplatz suchen oder zumindest sehr…
Wer in einem Mehrfamilienhaus lebt, ist nicht immer glücklich mit seinen Nachbarn. Insbesondere wenn es…
Das Landessozialgericht Berlin–Brandenburg (LSozG Berlin-Brandenburg) stellte in einem aktuellen Urteil klar, dass ein Sturz während…
Der Verkauf eines angeblich „kerngesunden“ in Wirklichkeit aber kranken Hundes durch die Stadt Ahlen an…
Die Frage, ob ein Wegeunfall ein Arbeitsunfall ist, wird oft erst vor Gericht geklärt. Lehnt…