Überweist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund eines Tippfehlers versehentlich zu viel Geld, muss der Arbeitnehmer dies zurückzahlen. Begleicht der Arbeitnehmer mit dem Geld seine Schulden, darf er sich nicht auf Entreicherung berufen und muss trotzdem zurückzahlen. Erfolgt die Zahlung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs, gilt eine dort vereinbarte Ausschlussklausel nicht, denn diese umfasst nur Ansprüche die bei Abschluss des Vergleichs bereits bestanden. Dieses Urteil fällte das LArbG Rheinland-Pfalz am 15.05.2019.
Der Beklagte war ca. 18 Jahre bei der Klägerin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt diverse Ausschlussfristen. Unter anderem sollen im Falle eines Ausscheidens Ansprüche spätesten acht Tage nach Zusendung oder Aushändigung der Arbeitspapiere geltend gemacht werden.
Dann kündigte die Klägerin, woraufhin der Beklagte Kündigungsschutzklage erhob. In dem gerichtlichen Verfahren einigten sich beide auf einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet werden sollte. Zugleich verpflichtete sich die Klägerin, dem Beklagten eine Abfindung von 16.500,- € brutto zu zahlen. Auch sollte der Beklagte ihr Gehalt bis zum Beendigungszeitpunkt weiter erhalten. Der zu zahlende Gesamtbetrag belief sich auf ca. 21.000,- €.
Im gerichtlichen Vergleich war auch geregelt, dass damit „beiderseitig finanzielle Ansprüche nicht mehr offen stehen“.
Aufgrund eines Tippfehlers überwies die Klägerin 30.000,- € zuviel an den Prozessvertreter des Beklagten, der das Geld sogleich an seinen Mandanten weiterleitete. Kurze Zeit später bemerkte die Klägerin ihren Irrtum und verlangte die zu viel gezahlten 30.000,- € zurück. Der Beklagte behauptete im Verfahren, den Irrtum nicht bemerkt zu haben.
Er beglich mit dem gesamten Geld seine Schulden und war der Auffassung, nicht zur Rückzahlung verpflichtet zu sein. Schließlich habe er das gesamte Geld ausgegeben und dürfe sich daher auf Entreicherung berufen.
Die Klägerin erhob vor dem Arbeitsgericht Klage auf Rückzahlung der 30.000,- €. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab! Nach Auffassung des Arbeitsgerichts muss der Beklagte die zu viel gezahlten 30.000,- € nicht zurückzahlen, da die achttägige Ausschlussfrist aus dem Arbeitsvertrag nicht eingehalten wurde.
Mit diesem Urteil gab sich die Klägerin überhaupt nicht zufrieden. Sie war nach wie vor der Auffassung, der Beklagte müsse ihr die 30.000,- € auf jeden Fall zurückzahlen. Sie legte Berufung beim LArbG ein, mit Erfolg!
Das LArbG entschied: Der Beklagte muss 30.000,- € an die Klägerin zurückzahlen!
Der Anspruch auf Rückzahlung ergibt sich aus § 812 BGB, denn der Beklagte hat das Geld ohne rechtlichen Grund erhalten, so das LArbG.
Auch darf sich der Beklagte nach Auffassung des LArbG nicht auf Entreicherung nach § 818 Absatz 3 BGB berufen. Entreicherung kommt nur dann in Betracht, wenn das Erlangte ersatzlos weggefallen ist. Dies ist aber bei dem behaupteten Begleichen der Schulden gerade nicht der Fall, so das LArbG.
Denn mit der Tilgung eigener Schulden ist eine Befreiung der Verbindlichkeiten eingetreten. Das Erlangte ist damit in jedem Fall nicht ersatzlos weggefallen. Hierauf weist das LArbG hin. Aus diesem Grund kommt eine Entreicherung nach § 818 Absatz 3 BGB nicht in Betracht.
Hinzu kommt, dass der Beklagte nach Auffassung des LArbG schon gar nicht hinreichend vorgetragen hat, dass die Bereicherung ersatzlos weggefallen ist. Er behauptete lediglich pauschal, Schulden beglichen zu haben. Dies genügt nach Auffassung des LArbG nicht, denn der Beklagte trägt für die Entreicherung vollumfänglich die Darlegungs- und Beweislast.
Im Hinblick auf die Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag weist das LArbG darauf hin, dass diese keine Anwendung findet bei Ansprüchen, die erst nach dem Ausscheiden entstanden sind. Um einen solchen Anspruch handelt es sich bei dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin.
Auch die Ausgleichsklausel aus dem gerichtlichen Vergleich, wonach Ansprüche „nicht mehr offen stehen“, findet nach Auffassung des LArbG keine Anwendung. Denn augenscheinlich betrifft diese nur Ansprüche, die bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs bereits entstanden sind. Dies ist bei dem Rückforderungsanspruch nicht der Fall, so das LArbG.
Da eine Verfallklausel nicht zur Anwendung kam und der Beklagte sich auch nicht auf Entreicherung berufen durfte, muss er die zu viel gezahlten 30.000,- € an die Klägerin zurückzahlen. So entschied das LArbG und hob das zuvor ergangene Urteil vom Arbeitsgericht auf.
Auch die vom Beklagten zwischenzeitlich eingelegte Revision beim BGH wurde verworfen, so dass er um eine Rückzahlung des Geldes nicht mehr umhin kommt.
LArbG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 15.05.2019– 7 Sa 499/17
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