Was sich in der Rechtsprechung bereits andeutete (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen) hat das Verwaltungsgericht Oldenburg nun bestätigt. Dieselbesitzer, die nicht am Rückruf teilnehmen, riskieren die Betriebszulassung für ihr Auto.
Die Zulassungsbehörde wacht über die Zulässigkeit von Fahrzeugen. Fahrzeuge, welche mit dem Motor EA 189 ausgestattet sind, müssen ein Software-Update erhalten. Das ist Gegenstand des VW-Rückrufs mit der Kennung 23R7. Wer dem nicht nachkommt, kann mit einer Betriebsuntersagung belegt werden, weil das Fahrzeug ohne Software-Update als nicht vorschriftsmäßig gilt. Die erforderliche Eingriffsbefugnis der Zulassungsbehörde ergibt sich aus § 5 Absatz 1 FZV.
Dass der Fahrzeugbesitzer eine Klage gegen VW betreibt, ändert an der Pflicht zum Software-Update nichts. Auch das Vorbringen des Dieselfahrers, das Fahrzeug werde nach dem Update einen höheren Verbrauch und Verschleiß aufweisen, ließen die Oldenburger Richter nicht gelten. Dabei handele es sich um Fragen der Mangelhaftigkeit, die zivilrechtlich mit dem Hersteller zu klären seien. An der öffentlich-rechtlichen Pflicht, das Fahrzeug zulassungskonform zu machen, ändere das nichts.
Im Prozess berief sich der Dieselfahrer darauf, dass das Software-Update die Beweise vereile, die er im Prozess gegen VW benötige. Dieses Argument wischt das Verwaltungsgericht vom Tisch, indem es ausführt, dass der Mangel in einem selbständigen Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO festgestellt werden könne.
Aus rechtlicher Sicht ist gegen die Entscheidung nichts einzuwenden. Zulassungsvorschriften sind einzuhalten und diese öffentlich-rechtlichen Pflichten sind von zivilrechtlichen Streitigkeiten zu trennen.
In der Entscheidung vertritt das Oldenburger Gericht die Auffassung, dass die Typgenehmigung für das Schummel-Auto nicht entfallen sei, weil die Änderungen nicht nachträglich vorgenommen worden sind. Nach § 19 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3, 7 StVZO erlischt die EU-Typenzulassung, wenn an dem Fahrzeug Änderungen vorgenommen werden, die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtern. Nach Auffassung der Oldenburger Richter gilt das aber nur für Modifikationen an bereits fertiggestellten und zugelassenen Fahrzeugen. Wer von vornherein schummelt, verliert die Typenzulassung nicht.
Diese Interpretation des Gesetzes wirkt grotesk. Sie führt dazu, dass ein Hersteller unbehelligt Fahrzeuge abweichend von der Typgenehmigung herstellen kann. Wenn das Gesetz nachträgliche Änderungen untersagt, muss das erst recht gelten für anfängliche Änderungen. Die Rechtsprechung sieht das offenbar anders.
Dieselbesitzer müssen sich in dieser Situation allein gelassen fühlen. Denn sie kämpfen nicht bloß gegen VW, sondern haben auch die Zulassungsbehörden und Verwaltungsgerichte gegen sich. Der Verweis auf das selbständige Beweissicherungsverfahren wirkt wie blanker Hohn. In den vergangenen Jahren ist klar geworden, dass VW so gut wie keine Details zu den Schummeleien preisgibt. Selbst Profis haben Schwierigkeiten, die Software-Codes zu entschlüsseln. In einer solchen Situation hilft der Hinweis auf ein Beweisverfahren wenig, denn es wird sich kaum ein Sachverständiger finden, der das Konzept und die Funktionsweise der Schummelei voll aufdeckt.
Die Rechtslage in Deutschland kommt Konzernen wie VW sehr entgegen. Betroffene werden in individuelle Klagen getrieben. Das kostet VW zwar Millionen an Anwalts- und Verfahrenskosten. Der Konzern spart dabei aber Milliarden. Denn die Gerichte im Bundesgebiet haben jahrelang keine einheitliche Linie gefunden und die Unsicherheit war erheblich.
Erst mit der kurz vor Verjährungsende 2018 geschaffene Musterfeststellungsklage und ein Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Mangelhaftigkeit der Schummelautos wecken Hoffnung (BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17). Allerdings ist es kaum zu ertragen, dass der BGH sich erst zu der Sache äußert, als die meisten Ansprüche bereits verjährt waren.
VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 – 7 A 4277/18
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