Eine berechtigte Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter führt nicht automatisch dazu, dass der Mieter ausziehen muss. Würde nämlich der Auszug für den Mieter eine besondere Härte bedeuten, kann dieser der Kündigung widersprechen und weiterhin in der Wohnung bleiben. Das Mietverhältnis wird dann solange fortgesetzt, wie es unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist. So steht es in § 574a BGB.
Das Landgericht Heidelberg (LG Heidelberg) entschied in einem aktuellen Fall über eine Eigenbedarfskündigung gegenüber einer schwerbehinderten Person. Die schwerbehinderte Mieterin bewohnt seit 20 Jahren eine Wohnung im Erdgeschoss. Die Vermieter der Wohnung planten nun, ihre knapp 90-jährige Mutter dort unterzubringen. Diese ist auf einen Rollator angewiesen und kann ihre jetzige Wohnung in der 3. Etage kaum noch verlassen. Auch sollte der Enkel im Haus sich künftig um die alte Dame kümmern. Daher kündigten die Vermieter der schwerbehinderten Mieterin wegen Eigenbedarfs.
Die Mieterin weigerte sich jedoch auszuziehen, da sie keine vergleichbare Wohnung gefunden hat, in die sie stattdessen ziehen könnte. Bereits vier Jahre suchte die Mieterin eine Ersatzwohnung vor Ort, die ihrer Schwerbehinderung und Pflegebedürftigkeit gerecht wird. Und auch die Vermieter suchten eine Ersatzwohnung. Die Suche hatte jedoch keinen Erfolg.
Dennoch verlangten die Vermieter, dass die Mieterin auszieht. Da die Mieterin sich weigerte, erhoben die Vermieter Räumungsklage.
Vor dem Amtsgericht bekamen die Vermieter Recht. Die Mieterin legte jedoch Berufung ein und der Fall landete beim LG Heidelberg. Das LG Heidelberg entschied nun zu Gunsten der Mieterin.
Die Eigenbedarfskündigung ist zwar gerechtfertigt, so das Gericht. Allerdings würde die Räumung der Wohnung für die Mieterin eine besondere Härte bedeuten. Das LG Heidelberg wog die berechtigten Interessen der Vermieter und die Interessen der schwerbehinderten Mieterin gegeneinander ab. Es kam zu dem Ergebnis, dass ein Auszug der Mieterin eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
Die Mieterin ist aufgrund ihres Gesundheitszustands auf die Erdgeschosswohnung angewiesen. Auch zu berücksichtigen war die therapeutische und soziale Versorgung der Mieterin, die eng mit der jetzigen Wohnung verknüpft ist, so das Gericht. Und auch die Tatsache, dass es weder der Mieterin noch den Vermietern gelungen war, eine vergleichbare Ersatzwohnung vor Ort zu finden, war nach Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen.
Nach alledem entschied das LG Heidelberg, dass ein Auszug für die Mieterin eine unzumutbare Härte bedeutet. Nach der Entscheidung des Gerichts wird das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. Sollte sich eine geeignete Ersatzwohnung für die Mieterin finden lassen, dürfte die Sachlage eine Andere sein. Dann käme die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr in Betracht. Eine unzumutbare Härte wäre dann wohl nicht mehr gegeben. Denn die Eigenbedarfskündigung war ja dem Grunde nach berechtigt. Bis dahin darf die Mieterin allerdings in ihrer Wohnung bleiben.
LG Heidelberg, Urteil vom 20.06.2024 – 5 S 46/23
Wer sich nach getaner Arbeit duscht oder wäscht, kann hierfür unter Umständen Vergütung verlangen. Das…
Wer als Fahrgast in einem Linienbus mitfährt, sollte sich einen Sitzplatz suchen oder zumindest sehr…
Wer in einem Mehrfamilienhaus lebt, ist nicht immer glücklich mit seinen Nachbarn. Insbesondere wenn es…
Das Landessozialgericht Berlin–Brandenburg (LSozG Berlin-Brandenburg) stellte in einem aktuellen Urteil klar, dass ein Sturz während…
Der Verkauf eines angeblich „kerngesunden“ in Wirklichkeit aber kranken Hundes durch die Stadt Ahlen an…
Die Frage, ob ein Wegeunfall ein Arbeitsunfall ist, wird oft erst vor Gericht geklärt. Lehnt…