Anwalt kann kein Bote sein (AG Ludwigshafen, Beschl. v. 26.04.2022 – 3c IK 115/22)

Nach Auffassung des Amtsgerichts Ludwigshafen (3c IK 115/22) kann ein Rechtsanwalt nicht als Bote auftreten. Ein Anwalt hatte bei Gericht einen Verbraucherinsolvenzantrag in Papierform eingereicht und mitgeteilt, dass er diesen als „Bote“ für seinen Mandanten einreiche. Offenkundig wollte der Anwalt dadurch die Benutzung des beA vermeiden. 

beA-Nutzungspflicht für Anwälte

Das Amtsgericht Ludwigshafen hat entschieden, dass der Antrag unwirksam ist, weil er nicht in der gesetzlich bestimmten Weise eingereicht worden sei. Die Entscheidung überrascht, denn ein Bote gibt keine eigene Erklärung ab, sondern überbringt lediglich die Erklärung eines anderen, hier des Mandanten. Und da der Mandant nicht der beA-Nutzungspflicht unterliegt, müsste der Antrag in Papierform eigentlich ausreichen. Das Amtsgericht wollte dem Anwalt diesen Trick aber nicht durchgehen lassen. Es hat entschieden, dass die beA-Nutzungspflicht nach § 130d ZPO statusbezogen sei und nicht an die funktionale Rolle im Verfahren anknüpft. Der Anwalt könne sich, so heißt es in der Entscheidung, nicht durch einen Rollenwechsel der beA-Nutzungspflicht entziehen. 

Hintergrund

Die Entscheidung hält einer kritischen Prüfung nicht stand. Es trifft zwar zu, dass Anwälte zur Nutzung des beA verpflichtet sind und dass Anträge – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht in Papierform eingereicht werden können. Die Rechtsauffassung, ein Anwalt könne nicht als Bote auftreten, ist rechtlich nicht nachvollziehbar. Anders als das Amtsgericht Ludwigshafen meint, ergibt sich das auch keineswegs aus § 130d ZPO. 

Die Argumentation mit dem Rollenwechsel ist fehlerhaft. Denn die Rolle des „Boten“ ist dem Prozessrecht fremd. Dementsprechend kann es sich nicht um einen verfahrensrelevanten Umstand handeln, wenn jemand als Bote auftritt. Der Bote überbringt lediglich die Willenserklärung eines Anderen. Ob die Willenserklärung des Anderen den Anforderungen genügt, ist eine andere Frage, mit der sich das Amtsgericht nicht befasst hat. 

Die Rechtsauffassung des Amtsgerichts würde außerdem zu dem grotesken Ergebnis führen, dass anhand von Schriftstücken, die sich im Gerichtsbriefkasten befinden und von Nichtanwälten stammen, nicht feststellbar wäre, ob diese formgerecht eingereicht worden sind. Wenn ein Anwalt den Brief eingeworfen hätte, wäre das nicht der Fall. 

AG Ludwigshafen, Beschluss vom 26.04.2022 – 3c IK 115/22

rechtstipp24

Share
Published by
rechtstipp24

Recent Posts

Duschen nach der Arbeit kann Arbeitszeit sein (BAG, Urt. v. 23.04.2024 – 5 AZR 212/23)

Wer sich nach getaner Arbeit duscht oder wäscht, kann hierfür unter Umständen Vergütung verlangen. Das…

4 Tagen ago

Sturz im Bus wegen Vollbremsung (AG München, Urt. v. 18.10.2024 – 338 C 15281/24)

Wer als Fahrgast in einem Linienbus mitfährt, sollte sich einen Sitzplatz suchen oder zumindest sehr…

1 Woche ago

Mietminderung bei Zigarettengeruch (AG Bremen, Urt. v. 17.05.2024 – 17 C 332/22)

Wer in einem Mehrfamilienhaus lebt, ist nicht immer glücklich mit seinen Nachbarn. Insbesondere wenn es…

2 Wochen ago

Sturz während der Arbeitspause (LSozG BB, Urt. v. 26.09.2024 – L 21 U 40/21)

Das Landessozialgericht Berlin–Brandenburg (LSozG Berlin-Brandenburg) stellte in einem aktuellen Urteil klar, dass ein Sturz während…

3 Wochen ago

Arbeitsunfall auf privatem Weg (BSozG, Urt. v. 26.09.2024 – B 2 U 15/22 R

Die Frage, ob ein Wegeunfall ein Arbeitsunfall ist, wird oft erst vor Gericht geklärt. Lehnt…

1 Monat ago
Datenschutz
Impressum