Ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer, wonach die Nutzung des Gemeinschaftseigentums aus Gründen der Verkehrssicherheit dauerhaft untersagt wird, ist unwirksam, wenn dies lediglich wegen der hohen Sanierungskosten beschlossen wurde.
Mit diesem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine wichtige Frage im Wohnungseigentumsrecht entschieden. Nämlich wann eine Sanierungspflicht der Wohnungseigentümer ausgeschlossen ist und wann nicht. Nur wenn eine Sanierungspflicht tatsächlich nicht (mehr) besteht, kommt ein dauerhaftes Nutzungsverbot in Betracht. Dies kann dann unter Umständen auch die WEG beschließen.
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um ein stark sanierungsbedürftiges Parkhaus. Drei der elf Ebenen stehen im Sondereigentum der Klägerin. Diese hatte die Parkplätze an ein benachbartes Hotel vermietet.
Das Bauordnungsamt hatte nun Nachweise zu den Mindestanforderungen des Brandschutzes angefordert. Da diese nicht erbracht werden konnten, beschloss die WEG mehrheitlich, dass die drei Ebenen nicht mehr genutzt werden dürfen. Bereits in der Vergangenheit hatte die Gemeinschaft eine Sanierung aus Kostengründen abgelehnt.
Die Klägerin könne ja selbst und auf eigene Kosten die brandschutztechnischen Mängel beheben lassen. Nach Vorlage der entsprechenden Nachweise, dürfe sie dann die drei Ebenen auch wieder nutzen. So ging es aus dem Beschluss hervor.
Hiermit war die Klägerin überhaupt nicht einverstanden. Sie erhob Klage, zunächst vor dem Amtsgericht. Doch dort scheiterte sie und auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die WEG das Nutzungsverbot beschließen durfte, auch vor dem Hintergrund, die Sanierungskosten einzusparen.
Nun entschied der BGH, dass der Beschluss rechtswidrig ist! Denn ein Nutzungsverbot ist allenfalls nur dann zulässig, wenn die Wohnungseigentümer nicht zur Sanierung des Parkhauses verpflichtet wären. Anderenfalls ist der Beschluss rechtswidrig und die WEG müsste schlichtweg ihrer Sanierungspflicht nachkommen, so der BGH.
Die Frage, die der BGH hier zu klären hatte, war demzufolge die Frage, ob die Sanierungspflicht der Gemeinschaft ausgeschlossen war oder nicht. Hier kam § 22 WEG (§ 22 Absatz 4 WEG alte Fassung) zur Anwendung. Höchstrichterlich geklärt war noch nicht, ob die Unrentabilität einer Sanierung auch dazu führt, dass eine Sanierungspflicht der WEG nicht mehr besteht.
Dies hat der BGH nun entschieden: Die Sanierungspflichten der Wohnungseigentümer, die aus der Überalterung oder der mangelnden Instandhaltung des Gebäudes herrühren, fallen nicht unter diese Norm. Die Sanierungspflichten der WEG bleiben vielmehr bestehen. Auch durch einen Beschluss der WEG können diese nicht ausgeschlossen werden, etwa mittelbar durch ein Nutzungsverbot.
Die Sanierungspflicht und damit möglicherweise die Pflicht zum Wiederaufbau nach § 22 WEG ist nur dann ausgeschlossen, wenn das Gebäude zerstört ist. Die Zerstörung muss dabei auf ein punktuelles Ereignis, wie z.B. einen Flutschaden oder einen Brand, zurückzuführen sein, so der BGH. Das ist bei einem Sanierungsstau nach dem Urteil des BGH nicht der Fall.
Da die Sanierungspflicht der WEG weiterhin bestand, durfte sie nicht durch das dauerhafte Nutzungsverbot faktisch ausgeschlossen werden. Das stellt der BGH in seinem Urteil klar. Somit war der Beschluss rechtswidrig und das Nutzungsverbot unwirksam.
Die Ausdauer der Klägerin hat sich gelohnt. In dritter Instanz hatte die Klage gegen den Beschluss der WEG Erfolg. Der BGH erklärte den Beschluss für ungültig.
BGH, Urteil vom 15.10.2021 – V ZR 225/20
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