Wer eigenmächtig Veränderungen an seinem Fahrzeug vornimmt, riskiert den Wegfall der Betriebserlaubnis. Damit können neben einem saftigen Bußgeld auch Nachteile bei der Versicherung verbunden sein. Eine solche Veränderung kann das Anbringen von Folien sein, welche die Scheiben tönen.
Nach der gesetzlichen Regelung erlischt die Betriebserlaubnis automatisch, wenn an einem Fahrzeug Veränderungen vorgenommen werden, die eine wesentliche Verkehrsbeeinträchtigung zur Folge haben können. Wer ein solches Fahrzeug in Betrieb nimmt, riskiert eine Geldbuße (§ 19 Absatz 5, § 69a StVZO, § 24 StVG, Nummer 214a BKat).
Mit der Frage, ob getönte Seitenfenster beim Auto zwangsläufig eine Gefahr für die Verkehrssicherheit mit sich bringen, hatte sich das OLG Koblenz zu befassen. Es ging um einen 90 Euro-Bußgeldbescheid wegen getönter vorderer Seitenscheiben an einem Auto. Der Besitzer des Autos hatte nachträglich getönte Folien angebracht. Die Behörde vertrat die Auffassung, dass nicht zugelassene getönte Klebefolien an den vorderen Seitenscheiben zu einem Erlöschen der Betriebserlaubnis führen. Dies ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass solche getönten Scheiben den Verkehr beeinträchtigen.
Das Amtsgericht Worms folgte der Argumentation der Behörde und verurteilte den Betroffenen zu der Geldbuße. Hiergegen wandte sich der Betroffene mit einer Rechtsbeschwerde. Mit Erfolg.
Das OLG Koblenz erteilte der Argumentation der Behörde und des Amtsgerichts eine klare Absage. Getönte Scheiben gefährden keineswegs automatisch die Verkehrssicherheit. Die Bußgeld-Verurteilung kann nicht auf den lapidaren Hinweis auf den Wegfall der Betriebserlaubnis gestützt werden, ohne auf die konkreten Auswirkungen einzugehen.
Das Amtsgericht hätte den Betroffenen nur dann verurteilen dürfen, wenn an dem Auto Veränderungen vorgenommen worden sind, die die Verkehrssicherheit gefährden. Erforderlich ist dafür eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Gefährdung. Eine nur fernliegende abstrakte Wahrscheinlichkeit genügt nicht.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass Veränderungen nur dann die drastische Folge des Wegfalls der Betriebserlaubnis rechtfertigen, wenn sie von einigem Gewicht sind. Zur Auslegung kann auf den Beispielkatalog des Bundesverkehrsministeriums vom 09.06.1999 zurückgegriffen werden. In diesem Katalog sind getönte Seitenscheiben nicht aufgeführt. Der Katalog ist zwar nicht abschließend, erforderlich ist aber stets eine Betrachtung des Einzelfalls.
Die schematische Feststellung des Amtsgerichts, dass getönte Scheiben die Verkehrssicherheit gefährden, trägt die Verurteilung nicht. Erforderlich wären zumindest Feststellungen zur Lichtdurchlässigkeit der Folie, zu deren Größe und zur Verdunkelung des Sichtbereichs des Fahrers. Anhand dieser Erkenntnisse hätte das Amtsgericht prüfen müssen, ob eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in Betracht kommt. Das hat das Amtsgericht hier nicht getan. Die Verurteilung wurde daher aufgehoben.
Das OLG nahm die Entscheidung zum Anlass klarzustellen, dass Veränderungen an den Scheiben nicht stets den Wegfall der Betriebserlaubnis zur Folge haben. Soweit ältere Entscheidungen dies als „Leitsatz“ zugrunde legten, sind diese durch eine Neufassung des § 19 Absatz 2 StVZO überholt (Änderungs-VO vom 19.12.1993).
Ein Freispruch stellt die Aufhebung der Verurteilung aber nicht dar. Die Sache wurde nämlich an das Amtsgericht zurückverwiesen, damit sich dieses die Sache genauer anschauen kann. Ob es erneut zur Verurteilung kommt, hängt davon ab, ob die Tönung tatsächlich zur Gefährdung des Straßenverkehrs geeignet ist.
Fest steht, dass sowohl Behörden als auch Amtsgerichte es künftig schwerer haben, gegen nachträglich getönte Scheiben vorzugehen. Die weit verbreitete Annahme, dass Klebefolien auf den Seitenscheiben automatisch den Wegfall der Betriebserlaubnis zur Folge haben, gehört aber der Vergangenheit an.
OLG Koblenz, Beschluss vom 10.10.2019 – 3 Owi 6 SsRs 299/19
Beispielkatalog zu Änderungen an Fahrzeugen und ihren Auswirkungen auf die Betriebserlaubnis, Bundesverkehrsministerium vom 09.06.1999, VkBl. 1999, Nr. 54
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