Schlägt ein Erbe die Erbschaft aus, weil er pauschal vermutet, nur Schulden zu erben, kann er die Ausschlagung später nicht mehr anfechten. Stellt sich heraus, dass der Nachlass ein Guthaben enthält, kommt eine Anfechtung wegen Irrtums nur in Betracht, wenn sich der Erbe über die Zusammensetzung der Erbschaft, also über das Verhältnis von Vermögen und Schulden geirrt hat. Der Erbe muss sich daher vor der Ausschlagung mit dem Nachlass befasst haben und zumindest eine Bewertung des vorhandenen Nachlasses vorgenommen haben. So entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf) in seinem Beschluss vom 19.12.2018 (3 Wx 140/18).
Im Falle einer Erbschaft stellt sich für den Erben die Frage, ob er die Erbschaft annimmt oder ausschlägt. Die Ausschlagung einer Erbschaft ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der oder die Verstorbene Schulden hinterlässt.
Denn die Hinterbliebenen erben eben nicht nur das Vermögen, sondern auch etwaige Schulden des Verstorbenen. Bevor eine Erbschaft ausgeschlagen wird, sollten sich die Hinterbliebenen jedoch konkret mit dem Nachlass befassen. Denn wer dies nicht tut und nur aufgrund einer pauschalen Vermutung von Schulden die Erbschaft ausschlägt, kann seine Entscheidung im Nachhinein nicht mehr anfechten, so das OLG Düsseldorf.
In dem zu entscheidenden Fall verstarb eine verwitwete und allein lebende Frau. Sie hinterließ kein Testament, so dass ihre beiden Schwestern und weitere Angehörige als gesetzliche Erben in Betracht kamen. Die Schwestern schlugen das Erbe aus, da sie davon ausgingen, dass ein Vermögen nicht vorhanden war. Sie gaben an, dass die Verstorbene lediglich eine geringe Rente bezog. Zudem war die Wohnung der Verstorbenen beim letzten Besuch in einem äußerst verdreckten Zustand. Sie vermuteten daher, dass die erforderliche Renovierung der Wohnung in jedem Fall ein etwaiges geringes Vermögen aufbrauchen würde.
Die Nachlasspflegerin prüfte im Anschluss den Nachlass und stellte nach Abzug von Verbindlichkeiten ein Guthaben von mehreren Tausend Euro fest. Eine Schwester der Verstorbenen erfuhr zudem, dass die Renovierungsklausel im Mietvertrag ihrer verstorbenen Schwester unwirksam ist. Kosten für eine Renovierung fielen daher gar nicht an.
Die Schwester erklärte daraufhin die Anfechtung ihrer Erbschaftsausschlagung wegen Irrtums. Sie beantragte die Erteilung eines Erbscheins, um nun in den Genuss des Vermögens ihrer verstorbenen Schwester zu kommen.
Das Nachlassgericht lehnte jedoch die Ausstellung eines Erbscheins zu Gunsten der Schwester ab. Es teilte mit, dass die Anfechtung unwirksam sei, da ein zur Anfechtung berechtigender Grund nicht vorlag.
Die Schwester legte gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts ein Rechtsmittel ein, ohne Erfolg. Über die anschließende Beschwerde der Schwester hatte nun das OLG Düsseldorf zu entscheiden.
Das OLG Düsseldorf entschied, es bleibt bei der Erbschaftsausschlagung. Die Schwester konnte ihre Entscheidung nicht mehr rückgängig machen. Sie hatte keinen Anfechtungsgrund. Die von ihr erklärte Anfechtung war unwirksam.
Grundsätzlich kann ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache zur Anfechtung nach § 119 Absatz 2 BGB berechtigen, so das OLG Düsseldorf. Die Erbschaft ist dabei rein rechtlich als Sache anzusehen. Ein Irrtum über den Nachlass oder Teile des Nachlasses kann dann grundsätzlich zur Anfechtung führen. Hierauf weist das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss hin.
Nach herrschender Rechtsprechung stellt die Überschuldung der Erbschaft eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar. Irrt der Hinterbliebene hierüber, kann er daher grundsätzlich die Ausschlagung der Erbschaft anfechten. Dies gilt jedoch nur dann, wenn tatsächlich ein zu beachtender Irrtum vorliegt.
Voraussetzung hierfür ist, dass der Ausschlagende sich ernsthaft über die Zusammensetzung des Nachlasses geirrt hat, demzufolge über den Bestand an Aktiva und Passiva, so das OLG Düsseldorf. Der Hinterbliebene muss sich konkret mit dem Nachlass auseinandergesetzt und diesen falsch bewertet haben.
In dem hier entschiedenen Rechtsstreit war dies gerade nicht der Fall. Die Schwester der Verstorbenen hatte sich überhaupt nicht mit dem Erbe ihrer verstorbenen Schwester befasst. Sie vermutete lediglich, dass keine Vermögenswerte vorhanden waren. Grundlage ihrer Vermutung war die Tatsache, dass die Verstorbene eine lediglich geringe Rente bezogen hat.
Ihre Entscheidung beruhte daher auf einer spekulativen Grundlage. Dies stellte nach Auffassung des OLG Düsseldorf keinen beachtlichen Irrtum dar. Die hinterbliebene Schwester konnte ihre Erbausschlagung nicht anfechten, so die Richter.
Wer über die Ausschlagung einer Erbschaft nachdenkt, sollte sich daher genau mit dem hinterbliebenen Nachlass befassen und alle ihm bekannten und ihm zugänglichen Fakten prüfen. Schlägt derjenige im Anschluss daran die Erbschaft aus, kann er bei einem Irrtum über die Überschuldung später seine Erbausschlagung innerhalb der Anfechtungsfrist anfechten.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2018 – 3 Wx 140/18
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