Categories: Reiserecht

„Automatisches“ Trinkgeld auf Kreuzfahrtschiff unzulässig (OLG Koblenz, Beschl. v. 14.06.2019 – 2 U 1260/17)

Freiwillig ein wenig Trinkgeld zu geben, gehört in der Gastronomie zum guten Ton. Für Servicekräfte stellt das Trinkgeld eine interessante Einnahme dar, zumal Trinkgeld meistens weder nachvollziehbar erfasst noch versteuert wird.

Daraus entsteht ein interessantes Wechselspiel der Argumente. Gastronomen zahlen nicht zuletzt wegen der Trinkgelder geringere Löhne und die Servicemitarbeiter sagen, dass sie auf die Trinkgelder angewiesen sind, weil der Lohn nicht zum Leben ausreicht. Eigentlich handelt es sich um ein milliardenschweres Steuersparmodell und eine Subventionierung von Gastronomen.

Dieses „Modell“ wird auch auf Kreuzfahrtschiffen angewendet, die teilweise eine automatische Abbuchung von Trinkgeld vorsehen. Über die Zulässigkeit einer solchen Klausel hatte das OLG Koblenz zu entscheiden. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseunternehmens hieß es:

„Trinkgeldempfehlung: Sie sind sicher gerne bereit, die Leistung der Servicecrew durch Trinkgeld zu honorieren. Hierfür wird auf Ihrem Bordkonto ein Betrag i.H.v. 10,- pro Person/Nacht an Bord gebucht, die Sie an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen können.“

Allgemeine Geschäftsbedingungen Kreuzfahrtschiff

Versäumt man eine Streichung oder Reduzierung des Trinkgelds oder ist es einem zu peinlich, mit diesem Anliegen zur Rezeption zu gehen, verteuert sich die Reise erheblich.

Wer aufgrund einer solchen Klausel Trinkgeld zahlen soll, kann die Zahlung verweigern oder zurückverlangen. Die Klausel ist nämlich rechtswidrig. Die Klausel verstößt gegen § 307 Absatz 1 und 2 Nummer 1 BGB, da sie einem Grundgedanken des Gesetzes widerspricht (§ 312a Absatz 3 Satz 1 BGB). Trinkgeld setzt eine ausdrückliche Vereinbarung voraus. Allgemeine Geschäftsbedingungen reichen dafür nicht aus. Ein Abweichen von dieser Maßgabe zu Lasten von Verbrauchern ist unzulässig. Die Gestaltung einer Trinkgeldklausel als „opt-out“-Regelung ist daher unzulässig. Darunter versteht man eine Klausel, welche die Leistungspflicht ohne weitere Mitwirkung des Verbrauchers begründet.

OLG Koblenz, Beschluss vom 14.06.2019 – 2 U 1260/17

Tom

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