Einem Anspruch oder einem Recht kann die Verwirkung entgegengehalten werden. Sofern die Voraussetzungen vorliegen, entfällt der Anspruch bzw. man kann ein Recht nicht mehr ausüben.
Die Verwirkung wird aus § 242 BGB hergeleitet:
„Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.“
Treu und Glauben beinhalten das Prinzip, dass jemand etwas nicht fordern darf, mit dessen Geltendmachung der Andere, der sich bereits auf die Nichtgeltendmachung eingestellt hat, nicht mehr rechnen musste. Als widersprüchliches Verhalten stellt die Verwirkung eine Kategorie der unzulässigen Rechtsausübung dar.
Die Verwirkung findet unabhängig von der Verjährung Anwendung. Ansprüche können vor Eintritt der Verjährung verwirkt werden.
Bei der Verwirkung handelt es sich um eine Einwendung. Eine Einwendung ist von den Gerichten von Amts wegen zu berücksichtigen, d. h. das Gericht weist eine Klage wegen Verwirkung auch dann ab, wenn sich die Parteien darauf nicht berufen. Bei der Verjährung ist das anders. Diese stellt nämlich eine Einrede dar, die vom Gericht nicht geprüft wird, wenn sich niemand darauf beruft.
Damit ein Gericht die Verwirkung prüfen kann, müssen die Voraussetzungen der Verwirkung vorliegen und dem Gericht dargelegt worden sein.
Die Verwirkung findet auf sämtliche Ansprüche und Rechte Anwendung. Neben Zahlungs-, Unterlassungs- und Feststellungsansprüchen können auch Gestaltungsrechte, wie das Anfechtungsrecht oder das Widerrufsrecht der Verwirkung unterfallen.
Auch im Wettbewerbsrecht spielt die Verwirkung eine Rolle, denn Abmahnungen können unter Umständen wegen Verwirkung unbegründet sein.
Auch im öffentlichen Recht wird die Verwirkung angewendet, z. B. kann das Widerspruchsrecht, d. h. das Recht, gegen einen Verwaltungsakt Widerspruch zu erheben (§ 68 VwGO), verwirkt werden.
Das Recht der Baubehörde, den Rückbau eines Schwarzbaus zu verlangen, kann ebenso verwirkt werden wie das Recht der Behörde, zuviel gezahltes Geld zurückzuverlangen.
Erfolgreich ist die Einwendung der Verwirkung aber nur dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Dazu bedarf es sowohl eines Zeitmoments als auch eines Umstandsmoments. Bei dem Zeitmoment handelt es sich um den bloßen Zeitablauf. Allein dieser bewirkt aber noch keine Verwirkung.
Hinzutreten muss ein Umstandsmoment. Der Gegner muss sich so verhalten, dass dies den Schluss zulässt, dass er den Anspruch nicht mehr geltend macht.
In der Rechtsprechung gibt es keine klare Linie zu den Voraussetzungen des Zeit- und Umstandsmoments bei der Verwirkung. Das liegt daran, dass es unzählige Fälle gibt mit völlig unterschiedlichen Umständen.
Einig sind sich die Gerichte aber darin, dass die Anforderungen an den Umstandsmoment umso geringer sind, je mehr Zeit vergangen ist. Dasselbe gilt umgekehrt: Die Anforderungen an das Umstandsmoment sind höher, wenn wenig Zeit vergangen ist.
Wenn der Vermieter Forderungen aus einer Nebenkostenabrechnung erst zwei Jahre nach deren Entstehen geltend macht und nicht auf konkrete Beanstandungen des Mieters reagiert hat, kann der Anspruch verwirkt sein. In diesem Fall liegt das Umstandsmoment darin, dass der Mieter davon ausgehen darf, dass der Vermieter sich durch die unwidersprochen gebliebenen Beanstandungen hat überzeugen lassen und von der Geltendmachung der Forderung absieht.
Zahlt der Vermieter nach einem beendeten Mietverhältnis die Kaution vorbehaltlos an den Mieter zurück, ist die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund von Beschädigungen der Mietsache in der Regel verwirkt.
Wer gegen ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück vorgehen möchte, verwirkt sein Widerspruchs- und Klagerecht, wenn er damit länger als ein Jahr wartet.
Der Vermieter kann sein Kündigungsrecht verwirken, denn er Kündigung erst fünf Monate nach dem vertragswidrigen Verhalten des Mieters ausspricht.
Der Verwirkung unterliegen lediglich bereits entstandene Forderungen oder Rechtspositionen, aber nicht solche, die erst noch entstehen.
Der Vermieter, der Nachzahlungen aus einer Nebenkostenabrechnung wegen Verwirkung nicht mehr geltend machen kann, kann solche Forderungen sehr wohl für zukünftig anfallende Nachzahlungen geltend machen.
Gleiches gilt für das Kündigungsrecht: Hat der Vermieter sein Kündigungsrecht wegen eines Vertragsverstoßes verwirkt, hindert ihn das nicht an einer Kündigung wegen eines neuen Vertragsverstoßes.
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