Das Gesetz bestimmt, was nicht bloß Tierschützern klar ist: Tiere sind keine Sachen (§ 90a Satz 1 BGB). Rechtlich ist das aber bedeutungslos, denn auf Tiere sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§ 90a Satz 3 BGB). Das bedeutet, dass beim Kauf eines Tieres das Kaufrecht und das Mängelgewährleistungsrecht Anwendung findet. Für Tiere gelten also dieselben Regeln für Gewährleistung und Garantie wie bei Sachen.
Über einen Gewährleistungsfall beim Tierkauf hatte das Oberlandesgericht München zu entscheiden: Die Parteien stritten über den Kauf eines Pferdes. Nach dem Kauf entdeckte die Käuferin, dass das gekaufte Pferd an einem Vorderlauf lahmte. Das zeigte die Käuferin dem Verkäufer als Mangel an und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Verkäufer akzeptierte den Rücktritt nicht, denn er vertrat die Auffassung, dass das Pferd zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs in Ordnung gewesen sei. Deshalb handele es sich nicht um einen Mangel und er könne dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden. Im Prozess ging es um die Frage, ob auf den Kauf die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf anzuwenden sind (§ 476 BGB in der Fassung von 2011), wonach bei Auftreten eines Mangels innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang vermutet wird, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war. Diese nun in § 477 BGB geregelte Vermutung bewirkt eine Beweislastumkehr zu Lasten des Verkäufers. Die Parteien stritten außerdem über die Anforderungen an die Darlegung des Mangels sowie darüber, ob der Mangel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hatte. Die Käuferin war in erster Instanz erfolgreich. Der unterlegene Verkäufer legte Berufung ein. Ohne Erfolg:
Das OLG München urteilte, dass der Rücktritt zu Recht erklärt worden ist und machte einige interessante Ausführungen zur Gewährleistung beim Tierkauf: Die Vermutungsregelung nach § 476 BGB a.F. (2011) gilt auch für den Kauf von Tieren. Danach wird bei einem binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang auftretenden Mangel vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Dem Verkäufer steht allerdings das Recht zu, diese Vermutung zu widerlegen. Dafür reicht aber – so das OLG München – nicht aus, wenn der Verkäufer die Vermutung erschüttert. Erforderlich sei vielmehr eine Widerlegung gemäß § 292 ZPO. Dem Verkäufer wird damit das Führen des Gegenbeweises abverlangt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Art des Mangels mit der Vermutung unvereinbar wäre. Das kann bei Infektionskrankheiten mit einer Inkubationszeit der Fall sein oder bei anderen Leiden, bei denen klar ist, dass sie zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht in der Sache bzw. dem Tier angelegt waren. Hier kam es daher darauf an, ob die Lahmheit des Vorderlaufs bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs angelegt war und ob es dem Verkäufer gelungen ist, die Vermutung zu widerlegen. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war für die zu Gunsten des Käufers streitende Vermutungsregel erforderlich, dass der Käufer nachweist, dass der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetreten ist und dass der Mangel latent schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Die Vermutungsregel – so der BGH nach alter Rechtsprechung – gelte nicht für die Ursachen für einen später aufgetretenen Mangel und sei dann unanwendbar, wenn mehrere Ursachen für den Mangel in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 23.11.2005 – VIII ZR 43/05). Der BGH hat diese Rechtsprechung allerdings im Anschluss an eine Entscheidung des EuGHs (Urteil vom 04.06.2015 – C-497/13) aufgegeben: Danach ist es bei mehreren in Betracht kommenden Ursachen nicht mehr erforderlich, dass der Käufer nachweist, dass die bei Gefahrübergang bereits vorhandene Ursache den Mangel bewirkt hat (BGH, Urteil vom 12.10.2016 – VIII ZR 193/15). Im Fall des OLG München konnte der Verkäufer des Pferdes zwar den Nachweis erbringen, dass die später aufgetretene Lahmheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 bis 80% keineswegs bereits bei Gefahrübergang angelegt war. Das genügte den Münchner Richtern aber nicht. Erforderlich sei der Nachweis und der war mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 bis 80% nicht erbracht.
Hintergrund: Die Entscheidung ist für Tierverkäufer von erheblicher praktischer Bedeutung. Denn die Ausdehnung der Rechtsprechung zum Verbrauchsgüterkauf auf Tiere bewirkt eine erhebliche Erhöhung des Risikos für Tierverkäufer. Diese müssen nämlich sechs Monate nach Gefahrübergang damit rechnen, dass der Käufer Ansprüche anmeldet. Wenn dem Verkäufer dann nicht der lückenlose Beweis gelingt, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht zu beanstanden war, haftet der Verkäufer. Zweifel gehen zu seinen Lasten. Der Verkauf von Tieren, insbesondere von Pferden, an Verbraucher ist damit finanziell zu einem sehr riskanten Geschäft geworden, denn der Nachweis wird nur in wenigen Fällen funktionieren. Im entschiedenen Fall war es dem Verkäufer nicht gelungen, die Vermutung zu widerlegen.
OLG München, Endurteil v. 26.01.2018 – 3 U 3421/16
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