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Anwalt verdient keine Vergleichsgebühr wenn tatsächlich kein Streit, sondern nur „Motive“ Anlass für die Tätigkeit geben (OLG München, Urt. v. 12.07.2017 – 15 U 4938/16)

Bei Anwaltsrechnungen kann man böse Überraschungen erleben. Dass Anwälte für verhältnismäßig wenig Arbeit hohe Rechnungen stellen können, liegt daran, dass sich die Höhe der Anwaltskosten am Gegenstandswert bemessen. Für eine außergerichtliche Tätigkeit berechnen Anwälte eine so genannte Geschäftsgebühr (Nummer 2300 VV RVG). Dabei handelt es sich um eine Rahmengebühr (0,5-2,5), deren konkrete Höhe anhand des Aufwands und der Bedeutung für die Mandanten zu konkretisieren ist. In durchschnittlichen Fällen ist ein Faktor von 1,3 angemessen. Je nach Tätigkeit kann der Faktor aber auch höher ausfallen, wenn der Anwalt nachweisen kann, dass die Tätigkeit besonders aufwändig oder schwierig war. Wenn es zu einer gerichtlichen Überprüfung kommt, wird eine 1,3 Gebühr regelmäßig nicht in Zweifel gezogen, und zwar selbst dann nicht, wenn der Anwalt nur eine halbe Stunde gearbeitet hat. Genauer hingesehen wird meistens nur dann, wenn der Gebührenfaktor über 1,3 liegt.

Über eine hohe Anwaltsrechnung hatte das OLG München zu entscheiden: Der Anwalt verlangte von seinem Mandanten die stattliche Summe von 22.510,52 Euro für Beratungsleistungen bei einer gesellschaftsrechtlichen Angelegenheit und der Mitwirkung beim Zustandekommen einer Vereinbarung. Den Anspruch stützte der Anwalt auf eine Honorarvereinbarung, nach der ihm ein Stundenhonorar von 150 Euro zustehe, hilfsweise berief er sich darauf, dass für seine Tätigkeit eine Geschäftsgebühr und eine Einigungsgebühr angefallen seien.

Das Landgericht urteilte, dass eine Honorarvereinbarung nicht zustande gekommen war und dass dem Anwalt eine Einigungsgebühr nicht zustehe, und sprach ihm lediglich eine geringere Summe für die angefallene Geschäftsgebühr (1,3) zu. Das OLG bestätigte die Entscheidung weitestgehend, änderte jedoch den Streitwert, sodass der Anwalt am Ende mehr bekommt als ihm das Landgericht zuerkannte. Das OLG behandelt in der Entscheidung einige interessante Aspekte:

Keine Honorarvereinbarung

Dem Anwalt gelang im Prozess der Nachweis einer Honorarvereinbarung nicht. Da die Honorarvereinbarung der Textform bedarf (§ 3a RVG), also schriftlich oder per E-Mail oder in anderer verkörperter Weise zustande gekommen sein muss, und dies nicht der Fall war, konnte der Anwalt keine Bezahlung in Höhe von 150 Euro je Stunde verlangen. Das Fehlen einer solchen Vergütungsvereinbarung lässt aber die gesetzlichen Gebühren unberührt, sodass es hier darauf ankam, ob und welche Gebühren dem Anwalt zuzugestehen waren:

Gegenstandswert

Je höher der Streitwert, umso höher ist die Anwaltsrechnung. In der Tat ging es im entschiedenen Fall um eine Angelegenheit mit hohen Werten in Gestalt von Grundstücken und Geschäftsanteilen. Im Verfahren war allerdings streitig, wie hoch der Gegenstandswert zu bemessen war. Der Anwalt behauptete, dass der Wert mindestens 2,1 Millionen Euro betragen habe. Das Landgericht ging indessen nur von einem Gegenstandswert von 1,3 Millionen Euro aus. Das OLG entschied schließlich, dass ein Streitwert von 1,875 Millionen Euro zugrunde zu legen sei. Dieser Wert basierte maßgeblich auf einer Schätzung, ohne dass es, so die Münchner Richter, auf eine wissenschaftlich exakte Ermittlung des Werts ankomme. Die Festlegung des Gegenstandswerts habe nach billigem Ermessen zu erfolgen (§ 3 ZPO, § 23 Absatz 3 RVG, § 3 KostO, § 36 Absatz 1 GNotKG), ohne dass es dazu der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf, zumal die dafür anzusetzenden Kosten unverhältnismäßig hoch im Verhältnis zu den Anwaltskosten gewesen wären. Schwerpunkt der Schätzung ist die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten, die durchaus höher oder niedriger ausfallen kann als die in Rede stehenden Geldbeträge.

Keine Vergleichsgebühr

Die im außergerichtlichen Bereich als „Einigungsgebühr“ bezeichnete Vergleichsgebühr setzt voraus, dass ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt worden ist (Nummer 1000 VV RVG). Daran fehlt es, wenn zwar ein Rechtsverhältnis besteht und sich beide Parteien einig sind, dass keiner der Parteien ein Recht zur Auflösung der Gesellschaft zusteht, aber beide Parteien sich aufgrund des zerrütteten Vertrauensverhältnisses darauf einigen, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. In solchen Fällen, so das OLG, liege weder ein Streit noch eine Ungewissheit vor. Daran ändere auch der Umstand nichts, wenn einer der Beteiligten befürchtete, „über den Tisch gezogen“ zu werden, diese Befürchtung aber zum Zeitpunkt des Zustandekommens der Vereinbarung nicht mehr vorliegt. Vergeblich wies der Anwalt darauf hin, dass es Streit in Gestalt von Auseinandersetzungen unter den Brüdern und ihren Ehefrauen gegeben habe sowie eine aus Sicht des Beklagten ungünstige Nachfolgeklausel. Diese Umstände würdigten die Münchner Richter als bloße Motive, nicht aber als Ungewissheit oder Streit im Sinne von Nummer 1000 VV RVG. Der Nachweis der Mitwirkung bei Vertragsverhandlungen, was ebenfalls eine Einigungsgebühr anfallen lässt, ist dem Anwalt nicht gelungen.

Hintergrund: Die Entscheidung beschränkt die Möglichkeit für Anwälte, eine Einigungsgebühr abzurechnen bzw. konkretisiert die Anforderungen an das Entstehen dieser Gebühr. Praktisch wirkt sich eine zusätzliche Einigungsgebühr erheblich aus, da sich die Rechnung dadurch mehr als verdoppeln kann (2,8 anstatt 1,3 – Einigungsgebühr 1,5 nach Nr. 1000 VV RVG, Geschäftsgebühr 1,3 nach Nr. 2300 VV RVG). Die vom OLG ins Feld geführte Unterscheidung zwischen „Ungewissheit“, „Streit“ und „Motiv“ begegnet Bedenken, denn eine zuverlässige Abgrenzung ist hierdurch nicht möglich und dürfte damit letztlich dem Richter überlassen bleiben. Anwaltskosten werden dadurch noch weniger kalkulierbar als ohnehin schon. Auf den ersten Blick erscheint die Kürzung der Rechnung gerechtfertigt, weil die Rechnung sehr hoch ausfiel. Zu berücksichtigen ist aber, dass Anwälte in Angelegenheiten mit großen Streitwerten eine enorme Verantwortung übernehmen, denn sie haften persönlich für ihren Rat und ihr Tun. Wer einer solchen Haftung ausgesetzt ist, muss auch ordentlich bezahlt werden, nicht zuletzt, damit er sich eine ausreichende Versicherung und eine angemessene Kanzleiausstattung leisten kann.

OLG München, Urt. v. 12.07.2017 – 15 U 4938/16

LG München II, Urteil vom 04.11.2016 – 13 O 5016/15

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