Wendet sich der in erster Instanz unterlegene Kläger mit der Berufung gegen ein Urteil, hat er sich mit allen tragenden Gründen des Urteils auseinanderzusetzen. Dieses Erfordernis ist aus § 513 Absatz 1 ZPO herzuleiten, wonach die Berufung nur darauf gestützt werden kann, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung „beruht“. Sofern durch das Erstgericht mehrere selbständig tragende Begründungen genannt werden, die, jede für sich gegen den geltend gemachten Anspruch sprechen, darf sich der Kläger in der Berufung nicht darauf beschränken, nur einzelne dieser Punkte anzugreifen. Keine Rolle spielt dabei, ob die Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Natur sind.
Beispiel: Weist das Erstgericht die Klage zurück, weil der Vertrag wirksam angefochten und gekündigt wurde, hat der unterlegene Kläger sich in der Berufung sowohl mit der Wirksamkeit der Anfechtung als auch mit der Wirksamkeit der Kündigung auseinander zu setzen. Befasst sich der Berufungskläger nur mit der Anfechtung, wird die Berufung allein deshalb als unzulässig verworfen (vgl. OLG München, 20 U 1635/17).
Bei der Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig prüft das Gericht die materielle Rechtslage nicht, das heißt, ob ein Anspruch besteht, ist nicht Gegenstand der Prüfung.
Berufungskläger sollten die Anforderungen an die Berufungsbegründung daher ernst nehmen und das Urteil im Hinblick auf die tragenden Gründe sorgfältig prüfen. Ein Nachschieben von Gründen ist nur dann zulässig, wenn bereits in der Berufungsbegründung die maßgeblichen Punkte angesprochen worden sind und diese später lediglich ergänzt und erweitert werden. Wird hingegen ein tragender Gesichtspunkt außerhalb der Berufungsbegründungsfrist vorgebracht, so ist die Berufung unzulässig.
Die Berufungsbegründung ist an eine Frist gebunden (§ 520 Absatz 2 ZPO). Das rechtzeitige Eingehen auf die tragenden Gründe des Urteils ist deshalb von großer praktischer Bedeutung. Die Berufungsbegründung muss nicht notwendig aus einem Schriftsatz bestehen, sondern kann sich auch auf mehrere Schriftsätze verteilen. Notwendig ist aber stets, dass die tragenden Gründe allesamt innerhalb der Berufungsfrist vorgebracht werden. Die Frist zur Begründung der Berufung beträgt zwei Monate ab der Zustellung des Urteils, spätestens aber fünf Monat nach der Verkündung des Urteils (§ 520 Absatz 2 ZPO). Die Frist kann ohne Einwilligung der anderen Partei um einen Monat verlängert werden, wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
Hintergrund: In der Praxis sind viele Fälle nicht so eindeutig wie in dem vom OLG München entschiedenen Fall oder wie im oben genannten Beispiel. Oft sind Urteile gar nicht oder schlecht gegliedert und auch für versierte Leser kaum nachvollziehbar. Deshalb ist es manchmal gar nicht so einfach, die tragenden Gründe zutreffend zu ermitteln. Im Zweifel sollten daher alle in Betracht kommenden Gründe behandelt werden, und zwar auch solche, die das Erstgericht nur im Nebensatz angesprochen hat. Die hierfür gern verwendete Formulierung „…. es kann dahinstehen, dass …“, spricht zwar dagegen, dass das Urteil auf dem Aspekt „beruht“ (§ 513 ZPO), es ist aber Sache des Berufungsgerichts zu entscheiden, ob das Urteil zugleich auf diesem Aspekt beruht. Das ist nicht ausgeschlossen, denn auch Hilfsbegründungen können tragende Gründe sein. Da im Berufungsverfahren Anwaltszwang herrscht (§ 78 ZPO), sind die Anforderungen an die Berufungsbegründung keineswegs überspannt, denn den Profis kann eine genaue Analyse des angegriffenen Urteils durchaus abverlangt werden. Für Anwälte ist die Verwerfung einer Berufung als unzulässig nicht bloß peinlich, sie kann darüber hinaus auch zum Haftungsfall werden. Wenn nämlich eine Berufung mit ordnungsgemäßer Begründung Erfolg gehabt hätte, ist der entstehende Schaden durch den Anwalt zu zahlen.
OLG München, Urteil vom 08.11.2017 – 20 U 1635/17
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