Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, haben nach § 24 Absatz 2 Satz 1 SGB VIII einen Anspruch auf einen Kita-Betreuungsplatz. Wenn ein solcher nicht zur Verfügung steht, können die Eltern Mehrkosten, die ihnen durch die Beschaffung eines Ersatzplatzes entstehen, vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe ersetzt verlangen (§ 36a Absatz 3 Satz 1 SGB VIII). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Jugendhilfe einen Platz bereitstellen kann, dieser aber für das Kind ungeeignet ist, etwa weil die Einrichtung Öffnungszeiten hat, die mit den beruflichen Bedürfnissen der Eltern nicht in Einklang zu bringen sind.
Im entschiedenen Fall hatten Eltern einen durch den öffentliche Träger angebotenen Betreuungsplatz bei einer Tagesmutter, der 400 Euro monatlich gekostet hätte, abgelehnt, weil die Öffnungszeiten nicht mit den Bedürfnissen der Eltern in Einklang zu bringen waren. Stattdessen suchten sie sich einen privaten Anbieter, bei dem der Kitaplatz 1380 Euro monatlich kostete. Die Mehrkosen verlangten sie vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Beim VG München waren sie erfolglos. Der VGH München gab ihnen indessen Recht. Das Urteil machte seinerzeit Schlagzeilen, weil es faktisch dazu führte, dass Luxuskitas mit Steuergeldern finanziert werden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hob die Entscheidung des VGH indessen wieder auf und urteilte, dass die Eltern nicht zwingend einen Anspruch auf Zahlung der Differenz haben.
Das BVerwG stellte darauf ab, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bundesrechtlich nicht dazu verpflichtet sind, dem Kind einen kostengünstigen Kitaplatz nachzuweisen. Vielmehr unterscheidet der Gesetzgeber zwischen dem Nachweisverfahren einerseits (§ 24 Absatz 2 Satz 1 SGB VIII) und dem Verfahren zur Ermittlung der finanziellen Zumutbarkeit andererseits (§ 90 Absatz 3 f. SGB VIII). Danach soll der an einen privaten Träger zu entrichtende Beitrag ganz oder teilweise vom Träger der Jugendhilfe übernommen werden, wenn die Zahlung unzumutbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zweck von § 24 SGB VIII – d. h. der Betreuungsanspruch – nicht durch zu hohe Kosten faktisch unterlaufen wird. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hätte daher durchaus auch den durch die Eltern selbst organisierten Betreuungsplatz nachweisen können. Hätte er das getan, würden die Eltern gleichermaßen die 1.380 Euro teure Monatsgebühr zu zahlen haben. Ob die Zahlung in der Höhe zumutbar ist, ist keine Frage des Nachweisverfahrens, sondern eine Frage der Zumutbarkeit, die im vom BVerwG entschiedenen Verfahren, in dem es um den Nachweis ging, keine Rolle spielt.
Hintergrund: Die Schlagzeile, dass Steuerzahler für Luxus-Kitas zahlen müssen, ist durch die Entscheidung nicht obsolet geworden. Vielmehr hat das BVerwG lediglich den Streit auf das Zumutbarkeitsverfahren verschoben. Die Aussage, dass die öffentliche Hand nicht für Luxus-Kitas zahlen muss, ist daher nicht haltbar. Denn im Rahmen der Zumutbarkeit wird man sehr wohl zwischen den üblicherweise zu zahlenden Kita-Gebühren und den höheren Kosten einer Ganztagsbetreuung unterscheiden müssen. Freilich sind dabei auch Aspekte der Leistungsfähigkeit der Eltern zu berücksichtigen. Im Ergebnis dürfte es im Regelfall dabei bleiben, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Mehrkosten übernehmen muss, wenn keine geeigneten Plätze zur Verfügung stehen.
BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 5 C 19.16
VGH München, Urteil vom 22.07.2016 – 12 BV 15.719
VG München, Urteil vom 21.01.2015 – 18 K 14.2448
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