Bei der Prüfung von Betriebskostenabrechnungen stoßen Mieter zuweilen auf überraschende Positionen. In den meisten Fällen lässt sich die Zulässigkeit der Berechnung anhand des Mietvertrags und einschlägiger Rechtsprechung ermitteln. Denn umlagefähig sind nur Kosten, die in der Betriebskostenverordnung aufgeführt sind und vertraglich auf den Mieter umgelegt werden. Schwieriger ist allerdings der Fall zu beurteilen, in dem Vermieter Positionen erstmals abrechnen, die zuvor jahrelang nicht abgerechnet worden sind. So kann der Fall bei Kosten der Gartenarbeit oder Reinigungskosten liegen. Häufig erledigen Vermieter eigentlich abrechnungsfähige Arbeiten selbst oder – besonders bei Gartenarbeiten – gar nicht. Auf die Berücksichtigung in der Betriebskostenabrechnung besinnen sich Vermieter aber regelmäßig dann, wenn höhere Kosten angefallen sind.
Grundsätzlich gilt, dass die jahrelange Nichtabrechnung von umlagefähigen Kosten nicht dazu führt, dass die Abrechnung dieser Positionen auch für die Zukunft unterbleibt (BGH, Urteil vom 27.01.2010 – XII ZR 22/07). In solchen Fällen liegen die Voraussetzungen der Verwirkung (§ 242 BGB) regelmäßig nicht vor. Verwirkung setzt voraus, dass der Anspruchsinhaber eine Forderung über einen längeren Zeitraum nicht geltend macht (Zeitmoment) und dass der Schuldner sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem Verhalten des Anspruchsinhaber auch darauf einrichten durfte, dass der Anspruch nicht mehr geltend gemacht wird (Umstandsmoment). Die Verwirkung bezieht sich aber nur auf bereits entstandene Ansprüche und nicht auf Ansprüche, die erst in der Zukunft entstehen. Hat also der Vermieter beispielsweise die Gartenarbeiten jahrelang selbst erledigt, darf er, wenn er diese Aufgabe künftig einem Gärtner überträgt, die dafür anfallenden Kosten auf die Miete umlegen. Voraussetzung ist, wie eingangs ausgeführt, dass der Mietvertrag die Umlagefähigkeit dieser Kosten vorsieht. Denn der Umstand, dass der Vermieter die Aufgabe entgeltfrei jahrelang selbst erledigt hat, ändert den geschlossenen Vertrag nicht. Mieter haben daher regelmäßig schlechte Aussichten, sich gegen solche Positionen in der Betriebskostenabrechnung zur Wehr zu setzen. Eine genaue Prüfung der konkreten Kosten lohnt sich aber oft: Denn gerade bei Kosten für die Gartenpflege, die nach § 2 Nummer 10 BetrKVO in Verbindung mit dem Mietvertrag umlagefähig sind, steckt der Teufel im Detail. Zwar sind danach Kosten der Pflege umlagefähig, nicht aber die Kosten der erstmaligen Herstellung. Hat also ein Vermieter den Garten über Jahre verwildern lassen, sind die Herstellungskosten nicht umlagefähig. In solchen Fällen kann es sich für Mieter durchaus lohnen, dem Vermieter die Stirn zu bieten.
Vom oben genannten Grundsatz gibt es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs Ausnahmen. So hat der BGH in einem Fall angenommen, dass, wenn der Mieter sich über mehrere Jahre hinweg mit immer denselben Beanstandungen an den Vermieter gewendet hat und der Vermieter darauf nicht reagierte und die Nichtzahlung der entsprechenden Positionen geduldet hat, ohne diese beim Mieter einzuklagen, der Vermieter die Abrechnung auch für die Zukunft so auszuführen hat, wie sie kraft Beanstandung und Duldung in den vergangenen Jahren vorgenommen worden ist (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 21.02.2012 – VIII ZR 146/11). Das stellt bei Lichte betrachtet eine Änderung des Vertrags dar, die auch durch schlüssiges Verhalten bzw. konkludent erfolgen kann.
Hintergrund: Rechtlich ist diese Rechtsprechung mehr als abenteuerlich, denn eine Verwirkung mit Wirkung für die Zukunft, die eigentlich als “Erwirkung” bezeichnet werden müsste, ist gleichbedeutend mit einer Vertragsänderung. Eine Vertragsänderung ist aber nur dann anzuerkennen, wenn das Verhalten der Vertragspartner den unzweifelhaften Schluss zulässt, dass die Vertragspartner eine Änderung des geschlossenen Vertrags beabsichtigen. Die Voraussetzungen werden beim Vermieter, der Schreiben des Mieters ignoriert und Forderungen nicht geltend macht, regelmäßig nicht vorliegen. Die im Hinweisbeschluss dargelegte Rechtsauffassung zur Erwirkung einer Vertragsänderung ist daher geeignet, die im Vertragsrecht geltenen Prinzipien zu konterkarieren und kann daher nicht als Beitrag zur Rechtssicherheit gesehen werden. Hinzu kommt noch, dass der BGH das Prinzip der Unabhängigeit der Betriebskosten ignoriert, das dem Gesetz zugrunde liegt. Positiv an der Entscheidung ist aber, dass sie sowohl Mietern als auch Vermietern Raum gibt, um für ihre jeweilige Auffassung zu streiten.
Dass durch ein jahrelanges Verhalten eine faktische Vertragsänderung bewirkt wird, wie im Fall des BGH (VIII ZR 146/11), dürfte die Ausnahme bleiben. Verwirkung (für bereits entstandene Ansprüche) spielt aber im Mietrecht eine größere Rolle als in anderen Rechtsgebieten. Besonders Vermieter müssen aufpassen, dass ihr Verhalten nicht dazu führt, dass Ansprüche verwirkt werden, denn im sozial geprägten Mietrecht neigen Gerichte eher als im allgemeinen Vertragsrecht dazu, Verwirkung anzunehmen. Zahlt beispielsweise ein Vermieter nach Beendigung des Mietvertrags die Mietkaution zurück, ohne sich die Geltendmachung von Nachzahlungsansprüchen aus einer noch vorzunehmenden Betriebskostenabrechnung vorzubehalten, kann dies die Verwirkung der Nachzahlungsansprüche zur Folge haben.
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