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Piraten dürfen in Grevesmühlen vorerst weiterkämpfen: Amtsgericht Wismar kündigt Abweisung eines Lärmschutz-Anwohner-Antrags an

Unter großem öffentlichen Interesse fand an 14.08.2017 eine Gerichtsverhandlung über den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die adventure-production Grevesmühlen GmbH als Veranstalterin des Grevesmühlener Open Air Theaters statt. Anwohner beklagten Lärmbelästigungen durch Kanonenschüsse und laute Musik. Nach Medienberichten soll der zuständige Richter dem klägerischen Begehren die Eilbedürftigkeit abgesprochen haben und gesagt haben, dass eine Betriebseinstellung weder im einstweiligen Rechtsschutzverfahren noch mit einer Hauptsacheklage erreicht werden könne. Von Seiten der Veranstalter wird daher gelassen auf die Montag anstehende Entscheidungsverkündung geblickt, denn mit größter Wahrscheinlichkeit wird der Antrag abgewiesen werden.

Angesichts der auf Touristen und entsprechende Freizeitangebote angewiesenen Region ist die Abweisung der einstweiligen Verfügung sicherlich zu begrüßen. Zu bedenken ist aber, dass Veranstaltungslärm von Anwohnern nicht grenzenlos hinzunehmen ist. Der Ausgang des Verfahrens ist deshalb gleichermaßen für die Veranstalter als auch für Touristiker ein Glücksfall. Denn so klar wie es der Wismarer Amtsrichter sieht, ist die Sache nicht. Zutreffend ist die Annahme, dass die Verfügungskläger wohl kaum die gesamte Veranstaltung untersagen können. Das Verfahren unterliegt aber, anders als man nach Lektüre der Presseveröffentlichungen meinen könnte, nicht dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Vielmehr ist das Gericht von Gesetzes wegen gehalten, eine dem Konflikt angemessene Regelung zu treffen. Anders als im herkömmlichen Zivilprozess gilt im Verfahren der einstweiligen Verfügung das Dispositionsprinzip nur eingeschränkt. Das bedeutet, dass das Gericht nicht strikt an die Anträge gebunden ist, sondern eigene Lösungen suchen und ausurteilen darf (§ 938 Absatz 1 ZPO). Für den Fall bedeutet das, dass Anlieger selbstverständlich nur unzumutbare Beeinträchtigungen abwehren können. Das sind in der Regel solche, die die gebietsspezifischen Grenzwerte überschreiten. Rechtlich ist es dabei ohne Belang, wenn von Seiten des Veranstalters vorgetragen wird, dass bereits viel für den Lärmschutz getan worden sei und dass es nun einmal nicht leiser gehe. Denn es geht sehr wohl leiser, nämlich ohne Kanonenschüsse und Musik. Wenn der Verzicht auf Kanonendonner und laute Musik die Veranstaltung unmöglich macht, dann ist das hinzunehmen. Denn eine solche Veranstaltung setzt sich nicht gegen verbindliche Lärmgrenzwerte durch. Hier scheint es um den klägerischen Sachvortrag aber nicht sehr gut bestellt zu sein, wenn der Klägeranwalt geltend gemacht hat, dass die Musik anlässlich der Lärmmessung leiser gespielt worden sei als sonst. Die Kläger wären gut beraten gewesen, einmal eine unabhängige Messung durchführen zu lassen, wenn die Musik nicht extra leise spielt. Insoweit ist zu bezweifeln, dass eine Berufung den gewünschten Lärmschutz erzielt, es sei denn die Kläger können neue Messungen vorlegen, aus denen sich zweifelsfreie Grenzwertüberschreitungen ergeben.

Hintergrund: Ein verlorenes Verfahren ist kein Grund für Kritik. Zu beanstanden ist aber die Herangehensweise dann, wenn ohne nachweisliche Grenzwertüberschreitungen der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt wird. Hinzu kommt, dass der Fall – zumindest aus Klägersicht – bei den Verwaltungsgerichten besser aufgehoben wäre, denn dort kennt man sich nicht bloß besser mit öffentlich-rechtlichen Grenzwerten aus, dort gilt – wenn auch im einstweiligen Rechtsschutz eingeschränkt – der Amtsermittlungsgrundsatz, der das Gericht verpflichtet, eigeninitiativ nach Erkenntnissen zu suchen. Das kann für den Prozess von großer Bedeutung sein. Hinzu kommt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung (§ 123 VwGO), wenn man einmal von den Prozesskosten absieht, grundsätzlich kein finanzielles Risiko birgt, wohingegen bei der zivilrechtlichen einstweiligen Verfügung Schadensersatz zu leisten ist, wenn eine einstweilige Verfügung zu Unrecht ergangen ist (§ 945 ZPO). Die Schadensersatzpflicht ist hier von großer praktischer Bedeutung, denn wenn das Amtsgericht beispielsweise auf Grundlage eines Lärmgutachtens eine Unterlassungsverfügung erlassen hätte, die aufgrund von Fehlern im Lärmgutachten später wieder aufgehoben wird, hat der Kläger den durch die rechtswidrige Unterlassungsverfügung entstandenen Schaden nach § 945 ZPO zu ersetzen. Bei abgesagten Open-Air-Veranstaltungen können da schnell Beträge im Hunderttausender- oder sogar Millionenbereich anfallen. Anders als bei der zivilgerichtlichen Geltendmachung, bei der in der Regel gegen den Veranstalter vorgegangen wird, ist bei der öffentlich-rechtlichen Geltendmachung die Ordnungsbehörde der richtige Ansprechpartner. Bei dieser ist unter Hinweis auf die Beeinträchtigungen ein Antrag auf Einschreiten zu stellen. Große Hoffnungen auf ein freiwilliges Einschreiten sollte man sich aber nicht machen, denn die für die öffentliche Sicherheit zuständigen Behörden haben meistens ein größeres Interesse an der Veranstaltung als an dem Lärmschutz. Das bedeutet, dass bei einem Nichteinschreiten das Verwaltungsgericht einzuschalten ist mit dem Begehren, der Behörde aufzugeben, etwas gegen die Beeinträchtigungen zu unternehmen.

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