Havarien bei Windenergieanlagen sind selten. Wenn es einmal zu einem Unfall kommt, stellt sich die Frage, ob und wie solche Anlagen während der Betriebszeit überwacht werden und wer für die Überwachung zuständig ist. Dafür sollen hier einmal die Zuständigkeiten und Überwachungspflichten näher betrachtet werden.
Für Windenergieanlagen, die gemessen bis zur Rotorspitze größer als 50 Meter sind, bedarf es einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG – (vgl. Anhang zur 4. BImSchV, Nr. 1.6). Das betrifft alle heute gängigen Windenergieanlagen, denn diese sind in der Regel deutlich höher als 100 Meter. Während des Genehmigungsverfahrens konzentriert sich die Zuständigkeit bei der Genehmigungsbehörde (§ 13 BImSchG). Sofern es sich nicht um
handelt, sind sämtliche für die Windenergieanlage notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Bewilligungen von der Konzentrationswirkung umfasst. Das hat zur Folge, dass sich der Antragsteller nicht um separate Baugenehmigungen oder naturschutzfachliche Erlaubnisse kümmern muss, sondern dass das dafür jeweils vorgesehene Prüfpensum von der Genehmigungsbehörde mit erledigt wird. Die BImSchG-Genehmigungsbehörde ist daher zentraler Ansprechpartner für nahezu alle Genehmigungsfragen. Sollte für die Anlage eine Baugenehmigung erforderlich sein, ist diese von der BImSchG-Genehmigung umfasst. Die Genehmigungsbehörde prüft auch abstandsrechtliche Vorschriften, Abweichungen von Abstandsflächenerfordernissen, die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens und naturschutzrechtliche Erlaubnisse und Befreiungen.
Die Konzentrationswirkung gilt grundsätzlich nur während des Genehmigungsverfahrens, das mit der Erteilung der Genehmigung endet. Bei nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Anordnungen (§ 17 BImSchG) und bei der Erteilung einer Änderungsgenehmigung (§ 16 BImSchG) kann es ausnahmsweise zu einem Wiederaufleben der Konzentrationswirkung kommen. Nachträgliche Anordnungen kommen in Betracht, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die eine Neufestsetzung der Emissionen erforderlich machen oder wenn wesentliche Veränderungen des Standes der Technik eine erhebliche Verminderung der Emissionen ermöglichen (vgl. § 52 BImSchG).
Mit der Erteilung der Genehmigung endet die Konzentrationswirkung. Ab diesem Zeitpunkt gilt grundsätzlich die Zuständigkeit der einzelnen Fachbehörden, die dann ihr jeweiliges Fachrecht anwenden. Das bedeutet, dass beispielsweise für bauordnungsrechtliche Fragestellungen die Baubehörde zuständig ist, für Naturschutzbelange die Naturschutzbehörde, für Gesundheits- und Arbeitsschutz die Landesgesundheitsämter oder für allgemeine Gefahren die Ordnungsbehörden. Darüber hinaus gilt eine fortwirkende Zuständigkeit der Immissionsschutzbehörde nach §§ 52 ff. BImSchG. Danach besteht auch nach Erteilung der Genehmigung die Pflicht, die Genehmigung zu prüfen und erforderlichenfalls durch nachträgliche Anordnungen dem neuesten Stand anzupassen (§ 17 BImSchG).
Diese Rechtslage kann dazu führen, dass mehrere Behörden zuständig sind. Für die BImSchG-Behörde ergibt sich die Überwachungspflicht aus §§ 52 ff. BImSchG und für die Fachbehörden aus dem jeweiligen Fachrecht (z. B. Landesbauordnung, Naturschutzgesetze, Arbeitsschutzvorschriften). Die aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen abzuleitenden Überwachungspflichten schließen sich nicht wechselseitig aus, sondern stehen selbständig nebeneinander (BVerwG, Urteil vom 13.02.1997 – 7 C 47/95) und die jeweiligen Behörden nehmen ihre Befugnisse grundsätzlich selbständig wahr (vgl. VG Halle, Urteil vom 30.08.2012 – 3 A 331/10).
Die Konzentrationswirkung hat daher in erster Linie Bedeutung für den Antragsteller: Bis zur Erteilung der Genehmigung ist die BImSchG-Behörde sein zentraler Ansprechpartner und ab der Erteilung der Genehmigung muss er sich an die jeweiligen Fachbehörden wenden.
Beispiele für Zuständigkeiten der Fachbehörden nach Erteilung der Genehmigung:
Praxistipp: Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen stehen oft vor der Frage, ob sie die Änderung einer Anlage nach § 15 BImSchG anzeigen oder ob sie dafür eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG beantragen. Oft wird die Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG bevorzugt, weil damit weniger Aufwand verbunden ist. Davon ist abzuraten. Betreiber sind besser beraten, in Zweifelsfällen eine Änderungsgenehmigung zu beantragen, denn diese beinhaltet gegebenenfalls erforderliche Genehmigungen (vgl. § 13 BImSchG) und entfaltet eine legalisierende Wirkung. Das gilt für eine bloße Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG nicht.
Das Immissionsschutzrecht greift nicht erst bei schädlichen Umwelteinwirkungen, sondern erlegt den Betreibern Vorsorgepflichten gegen schädliche Umwelteinwirkungen, Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen auf (§ 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BImSchG). Dementsprechend greifen die Überwachungspflichten nach § 52 BImSchG bereits bei den Vorsorgepflichten und ermöglichen bereits dann nachträgliche Anordnungen nach § 17 BImSchG oder fachbehördliche Maßnahmen, wenn zu befürchten ist, dass nicht genug Vorsorge getroffen wird.
Zunächst einmal wird eine BImSchG-Genehmigung nach Maßgabe der Antragsunterlagen erteilt. Zu den Antragsunterlagen gehören Herstellerbescheinigungen, Typenprüfungen und Wartungshinweise, die je nach Bauteil unterschiedliche Prüfungs-, Wartungs- und Inspektionspflichten beinhalten. Ergänzend nehmen solche Unterlagen oft auf technische Regelwerke Bezug, die ihrerseits Prüfpflichten vorsehen können. Art, Umfang und Intervalle sind vom Anlagentyp und vom jeweiligen Bauteil abhängig. Beispiele: Für einen Stahlturm kann eine regelmäßige Sichtprüfung auf Korrosion vorgesehen sein. Bei Rotorblattflanschen kann vorgesehen sein, dass Schraubverbindungen in bestimmten Abständen mit einer bestimmten Kraft nachzuziehen sind und für Personenaufzüge gelten regelmäßige Prüfpflichten. Außerdem müssen Sicherheits- und Rettungsvorrichtungen vorgehalten und regelmäßig geprüft werden.
Die Genehmigung legalisiert die Errichtung und den Betrieb der Anlage nach Maßgabe der Antragsunterlagen. Wenn die darin niedergelegten Prüfpflichten nicht eingehalten werden, hat das zur Folge, dass der Betrieb der Anlage nicht von der Genehmigung gedeckt ist. Die Anlage wird insoweit ohne Genehmigung und damit illegal betrieben, sodass die Nichteinhaltung festgelegter Prüfungs- und Wartungsvorgaben im schlimmsten Fall sogar eine Stilllegungs- und Beseitigungsanordnung (§ 20 Absatz 2 BImSchG) nach sich ziehen kann. Betreiber haben daher ein erhebliches Interesse daran, Prüfpflichten einzuhalten. Diese Rechtslage erlegt den Betreibern vollen Umfangs die Prüfpflichten auf und gibt den Behörden ein scharfes Schwert an die Hand.
Offizielle Erhebungen darüber, ob fehlerhafte oder unterlassene Prüfungen ursächlich für Havarien sind oder ob Havarien durch bessere Prüfungen vermeidbar gewesen wären, sind nicht ersichtlich. Bei allen bisher bekannt gewordenen Havarien erscheint das aber sehr unwahrscheinlich, denn ursächlich waren zumeist versagende Bauteile, welche bei der Prüfung nicht erkannt werden konnten. Generelle Aussagen können dazu aber nicht gemacht werden, da dies vom Einzelfall abhängt und einer eingehenden sachverständigen Untersuchung bedarf. Sofern sich bei der Untersuchung herausstellt, dass ähnliche Vorfälle auch bei anderen Anlagen zu befürchten sind, beispielsweise weil es sich um Serienfehler oder Konstruktionsfehler handelt, werden auch andere Anlagen eingehend überprüft und gegebenenfalls vorübergehend stillgelegt.
Die doppelte Zuständigkeit hat zur Folge, dass nach Erteilung der Genehmigung sowohl die über nachträgliche Anordnungen wachende Immissionsschutzbehörde (§§ 17, 52 BImSchG) als auch die Fachbehörden berufen sind, über die mit dem Betrieb der Anlage zusammenhängenden Gefahren zu wachen. Das bedeutet, dass entweder die eine oder die andere Behörde oder mehrere Behörden tätig werden. Praktisch erfolgt das anlassbezogen, das heißt dann, wenn etwas passiert ist. Eine aktive Überwachungspflicht in Gestalt von regelmäßigen behördlichen Kontrollen und Prüfungen ist gesetzlich nicht vorgesehen. Das wäre angesichts der Komplexität der Untersuchungsgegenstände auch kaum zu leisten und würde in der Praxis voraussichtlich nicht zu besseren Ergebnissen führen. Denn die nach den Genehmigungsbescheiden zu leistenden Untersuchungen und Prüfungen erfordern regelmäßig besondere Qualifikationen und Zertifizierungen und es ist nicht zu erwarten, dass eine doppelte Prüfung zugleich doppelte Sicherheit bringt. Vorzugswürdig ist es dagegen, bei den genehmigungsseitigen Prüfungen anzusetzen und dort zu schauen, welche Prüfungen genauer oder anders erfolgen sollten. Das erfolgt gegenwärtig aber ohnehin.
Mit der Doppelzuständigkeit gehen auch interessante rechtliche Abgrenzungsfragen einher. So kann beispielsweise, wenn sich nach Erteilung einer Genehmigung im Umfeld einer Windenergieanlage eine streng geschützte Vogelart niederlässt, sowohl eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG ergehen als auch eine naturschutzrechtliche Anordnung nach §§ 3 Absatz, 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG. Praktisch ist die Unterscheidung von großer Bedeutung, denn die Anwendung der immissionsschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage bietet die Möglichkeit von Kompensationszahlungen zugunsten des Genehmigungsinhabers, was Naturschutzrecht fremd ist. Über die Frage, ob der Betreiber eine Anlage entschädigungslos stillzulegen hat, wird daher praktisch durch die Zufälligkeit der handelnden Behörde entschieden. Das ist aus Betreibersicht eine unbefriedigende Situation. Rechtlich stellt sich damit auch die Frage, ob die BImSch-Behörde Fachrecht (BNatSchG) und ob die Fachbehörde BImSch-Recht (BImSchG) anwenden darf.
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