Die EEG-Förderung kommt nur einigen wenigen Menschen zugute und bei denjenigen, die damit vor Ort konfrontiert sind, kommt nichts an.
Dieses Argument stimmt und es stimmt nicht. Wenn man sich einmal anschaut, wie viele Windenergieanlagen sich in Bürgerhand befinden, stellt man ein großes Ungleichgewicht fest. Während in Schleswig-Holstein und Niedersachsen ganze Landstriche nahezu vollständig von lokalen Akteuren geprägt sind, findet man Bürgerprojekte im Osten der Republik so gut wie gar nicht. Das hat damit zu tun, dass die Anfänge der Windenergie in den 90´er Jahren insbesondere in Schleswig-Holstein und Niedersachen begonnen hat und dass die Menschen dort praktisch mit der Windenergie groß geworden sind. Die damals noch relativ kleinen Anlagen (50-80 kW) waren seinerzeit noch verhältnismäßig günstig und konnten daher entweder ganz ohne Fremdmittel oder mit geringem Aufwand und wenig Risiko fremdfinanziert werden. Die Situation ist im Osten aber grundlegend anders: Unmittelbar nach dem Beitritt der fünf neuen Bundesländer gab es im Außenbereich kaum Flächen in privater Hand, denn die vormaligen volkseigenen Flächen wurden von der Treuhandanstalt bzw. der BVVG verwaltet und erst nach und nach privatisiert, wobei in den BVVG-Verträgen auch noch vorgesehen war, dass die Erlöse aus der Windenergienutzung weitestgehend an die BVVG abzuführen waren. Hinzu kommt noch, dass die Menschen in Ostdeutschland kaum Berührungspunkte zu solchen wirtschaftlichen Aktivitäten hatten und dass die Investitionsvolumina in den Jahren ab 1995, als die ersten Megawattanlagen (1000 kW) auf den Markt kamen, bereits die Millionengrenze überschritten. Das erforderte, wie auch die zunehmend komplexere Ausgestaltung der Genehmigungsverfahren, in denen immer mehr umweltrechtliche Fragestellungen zu behandeln waren, eine Professionalität, die kaum jemand bieten konnte. Die These, dass die Wertschöpfung an den Menschen vor Ort vorbeigegangen ist, ist trotzdem nicht haltbar, denn zahlreiche Planungs- und Projektierungsunternehmen und Bauunternehmen haben in großem Umfang profitiert. Viele Anlagen werden zudem von lokalen Planungsunternehmen selbst betrieben, sodass diese von der EEG-Vergütung profitieren. Soweit jedoch Anlagen an auswärtige teilweise internationale Investoren verkauft wurden, fließt die EEG-Vergütung allerdings in deren Taschen. Die Kluft zwischen Ost und West bleibt indessen auch bei Berücksichtigung dieser Effekte bestehen. Angesichts des großen Anteils der Windenergie in Bürgerhand im Nordwesten der Republik ist das Argument falsch.
Im Osten ist das Argument, wenn man einmal von lokalen Projektieren und Bauunternehmen absieht, nicht von der Hand zu weisen. Immerhin versucht man dort, die entstandene Kluft durch Initiativen zur Förderung der Bürgerenergie zu verringern. So hat Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2016 ein Gesetz zur verpflichtenden Beteiligung von Bürgern und Gemeinden an Onshore-Windenergieanlagen erlassen (BüGembeteilG M-V; Gesetz über die Beteiligung von Bürgern und Gemeinden an Windparks an Land in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung weiterer Gesetze“, GVOBl. M-V vom 27. Mai 2016, S. 258). Ob dadurch positive Effekte erreicht werden können, darf aber bezweifelt werden. Denn das Gesetz stellt ein Bürokratiemonster dar, und ist zudem nicht ansatzweise auf die Privilegierung von Bürgervorhaben in Gestalt der Bürgerenergiegesellschaft im EEG 2017 abgestimmt. Leider ist damit zu rechnen, dass ein Zusammenwirken der Ausschreibung nach dem EEG 2017 und dem BüGembeteilG M-V die Möglichkeiten, in M-V von den Vorteilen der Bürgerenergiegesellschaft (vgl. § 36g EEG 2017) zu profitieren, erheblich verschlechtern wird. Und obgleich man in Schwerin stolz verkündet hat, mit dem BüGembeteilG M-V Neuland in Sachen Bürgerbeteiligung betreten zu haben, sind zumindest derzeit keine Aktivitäten erkennbar, das Landesgesetz an die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Das wäre aber dringend notwendig.
Die Rechtmäßigkeit des BüGembeteilG M-V ist erheblichen Bedenken ausgesetzt. Das Land dürfte nicht über die Kompetenz zum Erlass eines solchen Gesetzes verfügen, denn der Kompetenztitel des Raumordnungsrechts, worauf sich das Land M-V beruft, ist nicht einschlägig, weil es für die Wirkung von Windenergieanlagen im Raum keine Rolle spielt, wem sie gehören. Diese Bedenken sind seit dem 01.01.2017 ausgeräumt, denn der Bundesgesetzgeber hat den Bundesländern mit § 36g Absatz 6 EEG 2017 eine Kompetenz zur Regelung der Bürgerbeteiligung eingeräumt. Auf das kompetenzwidrig zustande gekommene BüGembeteilG M-V wirkt sich das aber nicht heilend aus, es müsste vielmehr neu erlassen werden, wodurch freilich allein die kompetenzrechtlichen Bedenken ausgeräumt werden könnten. Gegenwärtig deutet alles darauf hin, dass die in anderen Bundesländern intiierten Bemühungen, solche Bürgerbeteiligungsgesetze zu erlassen (Brandenburg, Niedersachsen), bis auf weiteres auf Eis gelegt sind. Vor dem Hintergrund des Systemwechsels hin zum Ausschreibungsmodell ist das zu begrüßen.