Urlaubsansprüche unterliegen der gesetzlichen dreijährigen Verjährungsfrist. Die Verjährungsfrist beginnt jedoch erst am Ende des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist und der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter über den konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat. So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 20.12.2022 (9 AZR 266/20).
Mit diesem Grundsatzurteil setzt das BAG die bereits bekannte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) um. Das Urteil ist insofern nicht überraschend, stößt aber dennoch auf großes Interesse.
Wann alter Urlaub verfällt, kann nicht mehr allein durch das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geklärt werden. Hiernach verfällt Resturlaub mit dem Ende des Kalenderjahres, spätestens zum 31.3. des Folgejahres.
Der EuGH hatte hierzu bereits im Jahr 2018 klargestellt, dass Urlaub nur dann verfallen kann, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter über seinen Urlaubsanspruch und die Verfallfristen aufgeklärt hat. Diese verbindliche Vorgabe setzte das BAG in seiner Rechtsprechung im Folgenden auch um.
Unabhängig von den Verfallfristen im BUrlG können Urlaubsansprüche auch verjähren. Für Urlaubsansprüche gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Schuldner Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hat.
Das BAG stellte nun in seinem Grundsatzurteil klar:
Die Verjährungsfrist beginnt nur dann zu laufen, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Mitarbeiter den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Vorher beginnt die dreijährige Verjährungsfrist nicht zu laufen. Mit dieser Entscheidung setzt das BAG die Vorgaben des EuGH konsequent um.
Geklagt hatte eine Steuerfachangestellte, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Abgeltung von insgesamt 101 Urlaubstagen verlangte. Diesen Urlaub konnte und wollte die Klägerin wegen hoher Arbeitsbelastung nicht nehmen. Ein Hinweis des Arbeitgebers, dass der Urlaub der Klägerin verfällt, wenn er nicht genommen wird, erfolgte nicht.
Da die Urlaubsansprüche der Klägerin zum Teil mehr als drei Jahre zurück lagen, berief sich der Arbeitgeber auf Verjährung. Der Rechtsstreit zog sich über mehrere Instanzen hin und landete nun beim BAG.
Das BAG wies die Revision des Arbeitgebers zurück mit dem Hinweis, dass die Urlaubsansprüche der Klägerin nicht verjährt sind, da die Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen hatte.
Der Arbeitgeber hatte unstreitig seine Mitarbeiterin nicht auf den Verfall ihrer Urlaubsansprüche hingewiesen. Somit wurde die Mitarbeiterin nicht in die Lage versetzt, ihre Urlaubsansprüche wahrzunehmen mit der Folge, dass die Verjährungsfrist gar nicht erst in Gang gesetzt wurde, so das BAG.
Da das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin beendet ist, muss der Urlaub finanziell abgegolten werden. Den Anspruch auf Abgeltung machte die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist geltend. Der Arbeitgeber muss nun die 101 nicht genommen Urlaubstage an die Klägerin auszahlen.
Das Urteil des BAG hat weitreichende Folgen. Um sowohl Verfall- als auch Verjährungsfristen von Urlaubsansprüchen in Gang zu setzen, muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiter über die konkreten Urlaubsansprüche und deren Verfall bei Nichtinanspruchnahme aufklären, und zwar rechtzeitig. Tut er dies nicht, kann der Urlaub nicht verfallen und auch nicht verjähren.
Ob das Urteil des BAG eine Klagewelle im Hinblick auf alte Urlaubsansprüche in Gang setzt, bleibt abzuwarten. Spätestens jetzt sollte jedoch jeder Arbeitgeber die Urlaubsansprüche (auch alte) seiner Mitarbeiter genau im Blick haben und jeden Mitarbeiter mit dem Hinweis auf den Verfall auffordern, den Urlaub zeitnah zu nehmen.
BAG, Urteil vom 20.12.2022– 9 AZR 266/20
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