Der Grundstücksnachbar darf überhängende Äste auch dann entfernen, wenn dadurch der Verlust der Standsicherheit oder das Absterben des Baumes droht. Dieses Grundsatzurteil fällte der Bundesgerichtshof (BGH) am 11.06.2021 (V ZR 234/19).
Wieder einmal hatte sich der BGH mit den Rechten eines Grundstücksnachbarn zu beschäftigen. Und wieder einmal ging es um überstehende bzw. überhängende Zweige und Äste.
Bereits im Jahr 2019 fällte der BGH ein viel beachtetes Grundsatzurteil zu Bäumen, die auf das Nachbargrundstück ragten. Damals stellte der BGH klar, dass das Selbsthilferecht des Nachbarn nach § 910 BGB auch dann gilt, wenn von den Ästen nur mittelbar Beeinträchtigungen ausgehen, etwa durch den Abfall von Nadeln und Zapfen.
Der Grundstücksnachbar darf daher nicht nur bei von den Zweigen ausgehenden unmittelbaren sondern auch bei mittelbaren Beeinträchtigungen die Zweige selbst abschneiden. Allerdings muss der Nachbar den anderen Eigentümer zuvor erfolglos aufgefordert haben.
In dem aktuellen Fall ging es um die Frage, ob der Grundstücksnachbar auch dann Zweige und Äste entfernen darf, wenn dadurch die Standfestigkeit des Baumes gefährdet ist oder sogar ein Absterben des Baumes droht. Und der BGH stellt klar: Das Selbsthilferecht des Nachbarn nach § 910 BGB gilt auch hier!
Der BGH weist in seinem Urteil darauf hin, dass das Selbsthilferecht nach Vorstellung des Gesetzgebers einfach und allgemein verständlich ausgestaltet sein sollte. Insbesondere unterliegt es keiner Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung, so der BGH.
Außerdem liegt die Verantwortung dafür, dass die Zweige und Äste nicht über seine Grundstücksgrenze hinauswachsen, beim Eigentümer. Der Eigentümer muss schließlich sein Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaften, so der BGH.
Kommt der Eigentümer dieser Pflicht nicht ordnungsgemäß nach, indem er z.B. herüberragende Äste nicht beschneidet, kann er sich im nach hinein nicht darauf berufen, der Nachbar habe die Beeinträchtigung nun zu dulden, da ansonsten die Standfestigkeit gefährdet ist. Dies stellt der BGH in seinem Urteil klar.
Der BGH verwies den Rechtsstreit zurück an das zuständige Landgericht. Dieses hat nun zu klären, ob und inwieweit tatsächlich Beeinträchtigungen vorlagen. Der Eigentümer des Baumes darf sich jedenfalls nicht darauf berufen, dass das Selbsthilferecht entfällt, weil durch das Zurückschneiden die Standfestigkeit gefährdet ist. Die Rechtsauffassung des BGH hierzu ist für das Landgericht bindend.
BGH, Urteil vom 11.06.2021 – V ZR 234/19
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