Unter Nachbarn entsteht häufig Streit über Grenzzäune. Etwa dann, wenn der alte rostige Zaun erneuerungsbedürftig ist. Wenn eine Einigung über die Erneuerung eines Grenzzauns nicht erreichbar ist, liegt es nahe, den alten Grenzzaun stehen zu lassen und ohne Zustimmung des Nachbarn parallel einen neuen Zaun zu errichten. Wenn dies auf eigenem Grund und Boden geschieht, steht dem eigentlich nichts entgegen. Nach Auffassung des Landgerichts Darmstadt gilt das allerdings dann nicht, wenn der neue Zaun das Erscheinungsbild des alten Zauns beeinträchtigt (LG Darmstadt – 26 O 214/20).
Der Beklagte hatte auf seinem Grundstück ohne Zustimmung des Nachbarn in ca. 10 Zentimeter Entfernung zu dem seit 1972 vorhandenen 85 Zentimeter hohen Maschendrahtzaun einen neuen 2 Meter hohen Zaun errichtet. Über eine Länge von 6 Meter hatte der Beklagte außerdem eine Kunststoffplane am neuen Zaun befestigt.
Der Nachbar verlangte den Rückbau des neu errichteten Zauns. Das LG Darmstadt gab dem Nachbarn Recht und urteilte, dass der neue Zaun zu entfernen ist.
Bei dem vorhandenen Zaun handelt es sich um eine Grenzeinrichtung (§ 921 BGB), die nicht ohne Zustimmung der angrenzenden Nachbarn verändert werden darf. Das gilt nicht bloß für den Bestand, sondern auch für die Beschaffenheit und das Erscheinungsbild.
Wenn ein Grenzzaun für längere Zeit bestanden hat, spricht eine Vermutung dafür, dass es sich um eine einvernehmliche Grenzeinrichtung handelt. Hier existierte der alte Grenzzaun bereits seit 1972, sodass davon auszugehen war, dass es sich um eine einvernehmliche Grenzeinrichtung handelt.
Neben der unmittelbaren Veränderung der Grenzeinrichtung schützt das Zustimmungserfordernis nach § 922 BGB auch vor rein optisch-ästhetischen Beeinträchtigungen. Solche erkannte das Gericht im vorliegenden Fall darin, dass der neue Zaun so dominant ist, dass er die Grenzscheidefunktion des alten Zauns beseitigt und ihn praktisch funktionslos macht. Der neue Zaun war daher zu beseitigen.
LG Darmstadt, Urteil vom 16.11.2020 – 26 O 214/20
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