Anders als im Zivilprozess, bei dem die Parteien den vom Gericht zu berücksichtigenden Prozessstoff liefern, existiert im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der so genannte Untersuchungsgrundsatz.
Das Verwaltungsgericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen und ist an den Parteivortrag nicht gebunden (§ 86 Absatz 1 Satz 1 VwGO). Von Gesetzes wegen gibt es daher eine Beweislast im Verwaltungsrecht nicht.
In der Praxis treten aber häufig Fälle auf, bei denen Umstände nicht erwiesen werden können. Dann stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die Beweisführung zu stellen sind und wie zu entscheiden ist.
Nicht gesetzlich geregelt ist, welche Anforderungen an den Maßstab richterlicher Überzeugung zu stellen sind, damit ein Umstand als bewiesen anzusehen ist. In der Praxis erweist sich das oft als schwierig.
Die Polizei nimmt eine Personenfeststellung vor, da der Verdacht des Dealens besteht. Zulässig ist die Personenfeststellung aber nur dann, wenn Umstände vorlagen, die Anlass zu der Annahme geben, dass es sich um BTM-Dealer oder Kunden handelt. Reicht es aus, wenn zwei Personen mit Taschen in einer einschlägigen Gegend gemeinsam unterwegs sind?
Das Verwaltungsgericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen. Das bedeutet, dass das Gericht keine unumstößliche Gewissheit verlangen darf, sondern dass durchaus Zweifel bestehen bleiben können. Das Bundesverwaltungsgericht bringt es auf den Punkt:
Das Gericht muss sich in zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind.
(BVerwG, Urt. v. 16.04.1985 – 9 C 109/84)
Verbleibende Zweifel hindern das Gericht nicht daran, einen Umstand als bewiesen anzunehmen. Ausreichend ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Annahme zutrifft.
Der Umgang mit verbleibenden Zweifeln besagt allerdings nichts darüber, wie das Gericht in non-liquet-Fällen zu entscheiden hat. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen der Beweis nicht erbracht werden kann.
Im Zivilprozess bedienen sich die Gerichte der Beweislastregeln. Die Nichterweislichkeit geht zulasten der beweisbelasteten Partei. Das bedeutet, dass derjenige, der den Beweis zu erbringen hat, im Falle der Nichterweislichkeit das Nachsehen hat.
Da es die Beweislast im Verwaltungsrecht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 VwGO) nicht gibt, liegt es nahe, die aus dem Zivilrecht stammende Beweislastverteilung nicht auf den Verwaltungsprozess zu übertragen. Im Bereich der Eingriffsverwaltung wird das aber durchaus praktiziert.
„Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gilt die materielle Beweislast des Inhalts, dass die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter ihm günstige Rechtsfolgen ableitet, zu seinen Lasten geht“
(VG Hamburg, Urt. v. 10.11.2020 – 20 K 1515/17, unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 23.05.1962 – VI C 39.60 und Urt. v. 25.03.1964 – VI C 150.62)
Richtet sich daher die öffentliche Hand gegen Betroffene und ist ein Umstand, der Voraussetzung für den Rechteeingriff ist, nicht erweislich, geht das zulasten der Behörde.
So lag der Fall auch bei den mutmaßlichen Dealern im oben genannten Beispiel. Das Verwaltungsgericht gelangte nach der Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung, dass Dealer-typisches Verhalten vorlag und erklärte die Personenfeststellung für rechtswidrig (VG Hamburg – 20 K 1515/17).
Die Beweislast im Verwaltungsrecht und das zivilrechtliche Prinzip der non-liquet-Entscheidung zulasten des Beweisbelasteten gilt trotz § 86 VwGO im Bereich der Eingriffsverwaltung.
VG Hamburg, Urt. v. 10.11.2020 – 20 K 1515/17
BVerwG, Urt. v. 23.05.1962 – VI C 39.60
BVerwG, Urt. v. 25.03.1964 – VI C 150.62
BVerwG, Urt. v. 16.04.1985 – 9 C 109/84
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