Nach einer Entscheidung des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts handelt es sich bei Luft im Innern von Räumen nicht um „Luft“ im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 1 Umweltinformationsgesetz (UIG).
Ein Journalist hatte auf Überlassung sämtlicher Erlasse geklagt, die das niedersächsische Justizministerium zur Corona-Pandemie herausgegeben hat. Diese Erlasse beinhalten Regeln zu Gerichts- und Justizgebäuden und richten sich an Bedienstete und Besucher. Sein Begehren stützte der Journalist auf das landes- und bundesrechtliche UIG und das Verbraucherinformationsgesetz (VIG). Der Antrag hatte vor dem Verwaltungsgericht Hannover (4 B 2369/20) zunächst Erfolg. Das Verwaltungsgericht hatte entschieden, dass die Erlasse darauf gerichtet seien, die Aerosole und damit die potenzielle Virenbelastung in der Luft zu reduzieren. Diese zum Schutz der Bediensteten und Besucher vorgesehenen Maßnahmen betrafen daher – so das VG in erster Instanz – die Luft im Sinne des UIG.
Der erfolgreiche Antrag wurde allerdings vom OVG Lüneburg kassiert.
Nach Auffassung der Lüneburger OVG-Richter besteht kein Anspruch auf Überlassung der Corona-Erlasse. Nach dem UIG bestehe lediglich Zugang zu Umweltinformationen. Dieser Begriff sei abschließend im UIG definiert (§§ 2 Absatz 5 UIG Nds, § 2 Absatz 3 UIG). Erforderlich sei stets ein Bezug zu einem Umweltbestandteil im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 1 UIG. Dazu zählen Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und gentechnisch veränderte Organismen. Außerdem sind Bestandteile von diesen und Wechselwirkungen erfasst.
Der Wortlaut des Gesetzes (gentechnische Veränderungen) lässt zwar erkennen, dass nicht bloß die unberührte Natur erfasst ist. Vielmehr legt das Gesetz einen weiten Umweltbegriff zugrunde. Allerdings handele es sich bei der Innenraumluft nicht um „Luft“ im Sinne des UIG.
Soweit „Luft“ im UIG benannt ist, sei zu berücksichtigen, dass dies im Gesetz im Kontext mit der Atmosphäre stehe. Im Gesetz ist von „Luft und Atmosphäre“ die Rede (§ 2 Absatz 3 Nummer 1 UIG).
Das Begriffspaar “Luft und Atmosphäre” beschränke die Anwendbarkeit des Gesetzes auf die gesamte Lufthülle der Erde mit ihrem Gasgemisch in ihrer vertikalen Ausdehnung. Es müsse sich um Luft als Bestandteil der Umwelt im Sinne der umweltrechtlichen Bestimmungen handeln. Da Innenraumluft den menschlichen Nahbereich noch nicht verlassen habe, zähle diese nicht zu „Luft“ im Sinne des UIG.
Das OVG stützt diese Sichtweise auf eine Abgrenzung zum Arbeitsschutz und anderen umweltrechtlichen Regelungen. Regeln über Innenraumluft seien Gegenstand der Arbeitsstättenverordnung. Auch die UVP-Gesetze behandeln keine Innenraumluft. Soweit Innenraumluft Wirkungen nach draußen entfalten, seien diese so geringfügig, dass eine Beeinflussung von Schutzgütern des Umweltrechts ausgeschlossen erscheine.
Schließlich verneinte das OVG auch einen Anspruch auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG). Hierzu fiel die Begründung kurz aus. Die Erlasse betreffen keine Verbraucherinformationen, sodass ein Anspruch darauf nicht gestützt werden konnte.
Das OVG Lüneburg setzt sich mit der Entscheidung in Widerspruch zur Rechtsauffassung des OVG Berlin-Brandenburg. Dieses hatte auch Innenluft als Luft im Sinne des UIG qualifiziert (OVG BB, Beschl. v. 09.02.2015 – OVG 12 N 11.14).
Die Argumentation des Lüneburger Gerichts mutet akrobatisch an. Die Differenzierung zwischen Innenluft und Außenluft überzeugt nicht. Bei Luft handelt es sich um ein flüchtiges Gut, das vor einem geöffneten Fenster ebenso wenig halt macht wie vor einer geöffneten Tür. Es mag zutreffen, dass Innenluft wohl kaum auf umweltrechtliche Schutzgüter wirkt. Inwieweit das der Fall ist, hängt aber davon ab, was in den Erlassen geregelt ist. Das UIG soll gerade ermöglichen, sich darüber Gewissheit zu verschaffen. Insoweit verfehlt die Argumentation des OVGs den eigentlichen Schutzzweck der Norm.
Konsequenterweise hat das OVG keinen Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) geprüft. Das IFG ist ein Bundesgesetz, das lediglich Anwendung findet auf Informationen, die bei Bundesbehörden vorliegen. Die Erlasse betrafen hier aber Landesbehörden. Zwar haben einige Bundesländer gleich lautende Landesgesetze zum freien Informationszugang. In Niedersachsen gibt es ein Landes-IFG aber nicht.
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 06.07.2020 – 2 ME 246/20
Andere Auffassung: OVG Berlin-Brandenbug, Beschluss vom 09.02.2015 – OVG 12 N 11.14
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