Ortstermine zur gerichtlichen Beweisaufnahme dürfen und müssen auch während der Coronapandemie stattfinden. Dies gilt auch dann, wenn eine Partei Angst vor einer Ansteckung mit Corona hat, etwa weil sie zur Risikogruppe gehört.
So könne sich die Partei in diesem Fall vertreten lassen oder selbst besondere Schutzmaßnahmen ergreifen. In jedem Fall hat aber der Sachverständige bei der Durchführung des Ortstermins für die Einhaltung der entsprechenden Schutzmaßnahmen Sorge zu tragen. Das entschied das Landgericht Saarbrücken (LG Saarbrücken) am 12.05.2020 (15 OH 61/19).
Die Coronapandemie hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, sondern auch auf den Rechtsverkehr. So kam es insbesondere in den Monaten März und April 2020 während des Lockdowns zu einer erheblichen Einschränkung der Durchführung gerichtlicher Termine.
Während dieser Zeit wurden größtenteils nur unaufschiebbare oder besonders eilige Verfahren und Termine durchgeführt. Grund waren zum einen Krankheitsfälle in der Justiz und zum anderen die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen.
Ab Mai kam es wieder zur Normalisierung des Justizbetriebes. Die Coronapandemie jedoch blieb und damit die Sorge, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Darf oder muss etwa ein Ortstermin zur Beweisaufnahme aufgehoben bzw. verschoben werden, weil ein Beteiligter Angst vor einer Ansteckung hat? Mit dieser Frage hatte sich das LG Saarbrücken zu beschäftigen.
Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens hatte der Richter die umfangreiche Begutachtung eines Wohngebäudes und auch einzelner Wohnungen angeordnet. Die Begutachtung sollte durch einen Bausachverständigen erfolgen.
Der Sachverständige schrieb darauf hin die Beteiligten wegen der Teilnahme an einem Ortstermin an. Ein Beteiligter hatte sich jedoch wegen der Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus gegen einen Ortstermin ausgesprochen. Der Sachverständige wandte sich nun an das Gericht und bat um Weisung, wie weiter zu verfahren ist.
Das LG Saarbrücken stellte klar: Allein die Furcht vor einer Ansteckung ist kein erheblicher Grund, den Ortstermin aufzuheben oder zu verschieben. Zur Anwendung kam hier die Vorschrift des § 227 ZPO, wonach ein Termin verlegt oder aufgehoben werden kann, wenn ein erheblicher Grund vorliegt. Ein solcher Grund lag hier jedoch nicht vor, so das LG Saarbrücken.
Erheblich wäre ein Grund in der Regel nur dann, wenn er auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Verlegung oder Aufhebung des Termins erfordert, so das LG Saarbrücken. Eine solche Verletzung des rechtlichen Gehörs wäre z.B. dann gegeben, wenn einer Partei die Teilnahme am Ortstermin oder eine Stellung faktisch verwehrt bliebe. Hierauf weist das LG Saarbrücken in seinem Beschluss hin.
Dem Beteiligten ist eine Teilnahme oder eine Stellungnahme jedoch faktisch nicht verwehrt, so das LG Saarbrücken. Insbesondere hat der Sachverständige bei der Durchführung des Ortstermins die Einhaltung der allgemeinen Schutzvorschriften des Infektionsschutzes zu gewährleisten.
Hinzu kommt, dass nach Auffassung des LG Saarbrücken auch der Beteiligte selbst für einen „recht weitgehenden Schutz vor einer Infektion“ sorgen könne, so durch das Tragen einer eigenschützenden FFP-2-Maske.
Darüber hinaus ist es möglich, dass sich der Beteiligte beim Ortstermin vertreten lassen kann. Denn die Aufnahme des tatsächlichen Zustandes vor Ort zwingt die Partei nicht dazu, selbst vor Ort anwesend zu sein, so das LG Saarbrücken. Und eine Stellungnahme zu den getroffenen Feststellungen kann die Partei nach Vorliegen des Gutachtens abgeben.
Ein erheblicher Grund, den Ortstermin zu verlegen bzw. nicht stattfinden zu lassen, liegt nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Die Sorge, sich während des Ortstermins mit dem Coronavirus anzustecken, genügt jedenfalls nicht, so das LG Saarbrücken.
Aus diesem Grund wies das LG Saarbrücken den Sachverständigen an, den für die Beweisaufnahme notwendigen Ortstermin anzuberaumen und im Ergebnis auch durchzuführen.
LG Saarbrücken, Beschluss vom 12.05.2020 – 15 OH 61/19
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