Der Reiseveranstalter muss den vollen Reisepreis zurückerstatten, wenn ein Kunde vor Reiseantritt seine Reise wegen der Coronapandemie storniert hat. Dies gilt dann, wenn zum Zeitpunkt des Rücktritts eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Corona-Virus im Reisegebiet bestand. Eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes ist nicht erforderlich. Ein entsprechendes Urteil fällte das Amtsgericht Frankfurt am Main (AG Frankfurt a.M.) am 11.08.2020 (32 C 2136/20).
Storniert ein Urlauber seine bereits gebuchte Reise und liegt eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vor, ist die Rechtslage relativ klar. Es besteht in diesem Fall zwar kein Rechtsanspruch auf kostenfreie Stornierung.
Aber die bisherige Rechtsprechung nimmt hierzu an, dass die Reise wegen eines außergewöhnlichen Umstandes zumindest erheblich beeinträchtigt ist. Dies hat zur Folge, dass der Kunde seine Reise vor Reiseantritt kostenfrei stornieren darf. Bereits gezahlte Reisekosten sind in voller Höhe an den Kunden zurückzuerstatten.
Wie verhält es sich jedoch, wenn zum Zeitpunkt des Reiserücktritts eine Reisewarnung (noch) nicht vorliegt? Das AG Frankfurt a.M. hatte in einem aktuellen Fall hierüber zu entscheiden.
Der Kläger buchte im Jahr 2019 bei der Beklagten eine Reise auf die italienische Insel Ischia. Die Reise sollte im April 2020 stattfinden. Geplant waren Hin- und Rückflug nach Neapel und ein einwöchiger Aufenthalt im Hotel.
Nach den Reisebedingungen der Veranstalterin sollte im Falle der Stornierung der Reisepreis erstattet werden, allerdings unter Abzug einer Entschädigung für den Reiseveranstalter. Eine Entschädigung soll nur dann nicht anfallen, wenn am Reiseort z.B. außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Reise zumindest erheblich beeinträchtigen.
Am 07.03.2020 stornierte der Kläger die von ihm gebuchte Reise unter dem Hinweis auf die außergewöhnlichen Umstände in Italien. Der Kläger bat darüber hinaus darum, auf Stornierungsgebühren zu verzichten.
Zu diesem Zeitpunkt war Italien bereits heftig von der Coronapandemie betroffen. Am 04.04.2020 wurden in ganz Italien die Schulen und Universitäten geschlossen. In Norditalien war das Gesundheitssystem bereits vielerorts komplett überlastet. Am 06.03.2020 wurden Leitlinien zur Frage des Zugangs und der Beendigung intensivmedizinischer Behandlungen herausgegeben. Am 08.03.2020 wurden im Norden Italiens diverse Regionen und am 09.03.2020 ganz Italien zur Sperrzone erklärt.
Nach Auffassung des Klägers lagen zum Zeitpunkt seines Rücktritts außergewöhnliche Umstände vor, die aus seiner Sicht zur vollen Erstattung des Reisepreises führen. Er verlangte von der Reiseveranstalterin den von ihm gezahlten Reisepreis zurück.
Die Beklagte behauptete, der Kläger habe nur die Anzahlung geleistet. Da der Kläger nicht dargelegt und bewiesen hat, dass er den vollen Reisepreis gezahlt hat, ging es in der Entscheidung nur um die unstrittige Anzahlung.
Das AG Frankfurt a.M. entschied: Die bereits gezahlten Reisekosten müssen ohne Abzug etwaiger Stornierungskosten zurückgezahlt werden!
Nach Auffassung des AG Frankfurt a.M. kommt es bei der Klärung der Frage, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, auf den Zeitpunkt des Rücktritts an. An die Darlegungslast des Kunden sind keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.
So genügt bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Virus zu, so das AG Frankfurt a.M. in seinem Urteil.
Zum Zeitpunkt des Rücktritts war diese Wahrscheinlichkeit für ganz Italien nach Auffassung des AG Frankfurt a.M. anzunehmen. Aus diesem Grund war die Reiseveranstalterin nach § 651h Absatz 3 BGB nicht berechtigt, Stornierungskosten zu erheben. Auf die fehlende Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das betreffende Reisegebiet kommt es hier nicht an, so das Gericht.
AG Frankfurt a.M., Urteil vom 11.08.2020 – 32 C 2136/20
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