Ein Anspruch auf Kindergeld besteht nicht, wenn ein Kind die gesamte Schulzeit im nichteuropäischen Ausland verbringt und nur während der Ferien für ca. 3,5 Monate im Jahr in der elterlichen Wohnung in Deutschland wohnt. Ein inländischer Wohnsitz liegt in diesem Fall nicht vor. Bereits gezahltes Kindergeld kann von der Familienkasse zurückgefordert werden, jedoch nur wenn noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg (FG Hamburg) vom 05.07.2019 hervor (6 K 215/18).
Geklagt hatte der Vater zweier Söhne, die mit Schulbeginn zur Großmutter nach Serbien zogen, um dort die gesamte Schullaufbahn zu absolvieren. Der Vater zeigte den Umzug bei der Schulbehörde an, um von der in Deutschland geltenden gesetzlichen Schulpflicht befreit zu werden.
Eine Anzeige bei der zuständigen Familienkasse erfolgte nicht. Da die Familienkasse keine Kenntnis vom Umzug der Kinder nach Serbien hatte, zahlte sie das Kindergeld für die Kinder weiterhin an den Vater aus.
Die Kinder lebten nun während der Schulzeit ausschließlich bei der Großmutter in Serbien. Während der Ferienzeit hielten sich die Kinder in der elterlichen Wohnung in Deutschland auf, wo sie weiterhin ein Kinderzimmer hatten. Die Kinder verbrachten jedes Jahr ca. 3,5 Monate in Deutschland, während dieser Zeit waren in Serbien Schulferien.
Im Zusammenhang mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Kläger erfuhr die Familienkasse vom Aufenthalt der Kinder in Serbien. Die Familienkasse forderte daraufhin nach Anhörung des Klägers das an ihn ab Schulbeginn gezahlte Kindergeld mit Bescheid zurück. Insgesamt belief sich der zurückgeforderte Betrag auf fast 30.000,- €.
Der Kläger war mit der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nicht einverstanden. Er vertrat die Auffassung, dass seine Söhne weiterhin ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, trotz Schulbesuch in Serbien. Es sei daher von einem Wohnsitz in Deutschland auszugehen. Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei aus diesem Grund rechtswidrig. Der Widerspruch des Klägers gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid blieb erfolglos.
Der Kläger erhob Klage vor dem FG Hamburg.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg.
Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung war zumindest für die ersten drei Jahre rechtswidrig. Grund hierfür war jedoch ausschließlich die eingetretene Festsetzungsverjährung. Auf die Frage der eigentlichen Berechtigung zum Bezug von Kindergeld kam es hier gar nicht an. Eine Rückforderung des Kindergeldes für diesen Zeitraum war daher ausgeschlossen, so das FG Hamburg.
Anders urteilte das FG Hamburg im Hinblick auf das danach gezahlte Kindergeld. Hier war die Familienkasse sehr wohl berechtigt, das gezahlte Kindergeld zurückzuzahlen. Denn die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld lagen nicht vor, so das FG Hamburg.
Nach Auffassung des FG Hamburg hatten die Kinder aufgrund des Aufenthaltes in Serbien weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. Serbien zählt nicht hierzu. Ein Anspruch auf Kindergeldzahlung bestand daher nicht, so das FG Hamburg.
Das FG Hamburg weist in seinem Urteil auf die umfangreiche Rechtsprechung zur Bestimmung des Wohnsitzes hin. Grundsätzlich ist der Wohnsitz nicht an einen Aufenthalt während einer Mindestzeit geknüpft (BFH, Urteil vom 19.03.1997, I R 69/96). Erforderlich ist aber eine Nutzung, „die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht (BFH, Urteil vom 10.04.2013, I R 50/12), so das FG Hamburg.
Besucht ein Kind eine Schule im Ausland, genügt es nicht, wenn die elterliche Wohnung dem Kind weiterhin zur Verfügung steht. Hierauf weist das FG Hamburg hin. Vielmehr muss für die Annahme eines inländischen Wohnsitzes eine Beziehung zur elterlichen Wohnung vorhanden sein, die über „die allein durch das Familienverhältnis begründete Beziehung hinausgeht“. So das FG Hamburg unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 17.03.1961, VI 185/60 U, BStBl III 1961, 298).
Zur Beurteilung der Frage, ob ein inländischer Wohnsitz vorliegt, bezieht sich das FG Hamburg insbesondere auf § 9 AO. Hiernach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die darauf schließen lassen, dass er sich dort nicht nur vorübergehend aufhält. § 9 Satz 2 AO geht von einer Sechsmonatsfrist aus, die als Grenze einer Aufenthaltsdauer anzusetzen ist, welche nicht mehr als nur vorübergehend anzusehen ist.
Nach Auffassung des FG Hamburg ist hier entscheidend, ob ein Aufenthalt von mehr als sechs Monaten im Jahr im Inland, also in der elterlichen Wohnung in Deutschland, geplant war. Dies muss verneint werden, denn der geplante Aufenthalt in Deutschland beschränkte sich auf die 3,5 Monate während der serbischen Schulferien.
Aus diesem Grund war nicht von einem inländischen Wohnsitz seit Schulbeginn in Serbien auszugehen, so das FG Hamburg. Stattdessen war nach Auffassung des FG Hamburg nur von Besuchen mit Urlaubszweck auszugehen.
Aus diesem Grund bestand für diese Zeit kein Anspruch auf Kindergeldzahlung. Der Kläger war zu Recht zur Rückzahlung des Kindergeldes aufgefordert worden. Seine Klage hatte, abgesehen von dem Zeitraum der Festsetzungsverjährung, keinen Erfolg.
FG Hamburg, Urt. vom 05.07.2019– 6 K 215/18
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