Reist ein Arbeitnehmer zu einer betrieblich angeordneten Schulung bereits am Vortag an, weil der Schulungsort so weit vom Dienstort entfernt ist, gilt die Anreisezeit auch als Arbeitszeit. Findet die Schulung am ersten Arbeitstag gemäß Arbeitsvertrag statt, beginnt das Arbeitsverhältnis aufgrund der als Arbeitszeit geltenden Anreisezeit damit bereits am Vortag. Dies geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LArbG Düsseldorf) vom 09.04.2019 hervor (3 Sa 1126/18).
Die Entscheidung, dass auch die Anreisezeit als Arbeitszeit zu bewerten ist, hat nicht nur Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers. In dem hier entschiedenen Rechtsstreit hatte die Bewertung der Anreisezeit als Arbeitszeit zur Folge, dass die gesetzliche Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren um 1 Tag überschritten wurde. Rechtsfolge war die Unwirksamkeit der Befristungsabrede und das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
Dies gilt auch dann, wenn im schriftlichen Arbeitstag als Vertragsbeginn der Tag der Schulung angegeben ist. Nach Auffassung der Richter ist die Angabe lediglich eine falsa demonstratio, also eine falsche Erklärung, die jedoch unschädlich ist.
Sind sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einig, dass der Arbeitnehmer bereits am Vortag zur Schulung anreist, etwa weil der Schulungsort zu weit vom Dienstort entfernt ist, liegt hierin eine einvernehmliche Vorverlegung des Beginns des Arbeitsverhältnisses, so das LArbG Düsseldorf.
Liegt der im Arbeitsvertrag schriftlich festgehaltene letzte Arbeitstag damit ein Tag über dem für sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse zulässigen Zeitraum nach § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG, ist die Befristungsabrede insgesamt unwirksam. So entschieden die Richter in ihrem Urteil. Damit ist ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen, welches nicht automatisch endet, sondern nach den gesetzlichen Regeln gekündigt werden muss.
Dieses Urteil stärkt einmal mehr die Rechte der Arbeitnehmer und hat weit reichende Folgen für die Arbeitgeber. Letztlich ist das Urteil jedoch nur konsequent, da die betrieblich angeordnete Reisezeit zu einer betrieblich veranlassten und möglicherweise sogar ausdrücklich angeordneten Schulung ganz klar als Arbeitszeit anzusehen ist.
LArbG Düsseldorf, Urteil vom 09.04.2019 – 3 Sa 1126/18
Wer sich nach getaner Arbeit duscht oder wäscht, kann hierfür unter Umständen Vergütung verlangen. Das…
Wer als Fahrgast in einem Linienbus mitfährt, sollte sich einen Sitzplatz suchen oder zumindest sehr…
Wer in einem Mehrfamilienhaus lebt, ist nicht immer glücklich mit seinen Nachbarn. Insbesondere wenn es…
Das Landessozialgericht Berlin–Brandenburg (LSozG Berlin-Brandenburg) stellte in einem aktuellen Urteil klar, dass ein Sturz während…
Der Verkauf eines angeblich „kerngesunden“ in Wirklichkeit aber kranken Hundes durch die Stadt Ahlen an…
Die Frage, ob ein Wegeunfall ein Arbeitsunfall ist, wird oft erst vor Gericht geklärt. Lehnt…