Kauft ein Verbraucher an einem Messestand eine Einbauküche, steht ihm kein Widerrufsrecht zu, wenn der Messestand als beweglicher Gewerberaum anzusehen ist. Das ist dann der Fall, wenn ein verständiger Verbraucher davon ausgehen kann, dass am Messestand nicht nur informiert, sondern auch verkauft werden soll. Dieses Urteil fällte der Bundesgerichtshof (BGH) unter Bezugnahme auf die entsprechende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am 10.04.2019 (VIII ZR 82/17).
Der Kläger besuchte im Jahr 2015 die „Messe Rosenheim“. Auf der Messe hatte unter anderem die Beklagte einen Messestand. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, das gewerblich unter anderem Einbauküchen vertreibt. Auf der Messe bot die Beklagte interessierten Kunden ihre Einbauküchen an, so auch dem Kläger. Dieser schloss mit der Beklagten am Messestand schließlich einen Kaufvertrag über eine spezielle Einbauküche zum Preis von ca. 10.500,- €. Eine Widerrufsbelehrung enthielt der Kaufvertrag nicht.
Noch am selben Tag überlegte es sich der Kläger anders und widerruf gegenüber der Beklagten seine auf den Kaufvertragsabschluss gerichtete Willenerklärung. Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht und verlangte vom Kläger den vereinbarten Kaufpreis für die Küche.
Der Kläger erhob Klage auf Feststellung, dass er seine Willenserklärung wirksam widerrufen habe und zur Kaufpreiszahlung nicht mehr verpflichtet sei. Weder am Landgericht noch in der Berufungsinstanz am Oberlandesgericht hatte der Kläger Erfolg. Beide Instanzen gingen davon aus, dass dem Kläger kein Widerrufsrecht zustand. Der Kläger legte daraufhin Revision beim BGH ein.
Der BGH entschied: der Kläger hat kein Widerrufsrecht!
Das hier in Frage kommende Widerrufsrecht für Verbraucher für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge nach §§ 312g Absatz 1, 355 BGB bestand nicht, weil der Kaufvertrag eben nicht außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden ist, so der BGH.
Geschäftsräume im Sinne von § 312b Absatz 2 Satz 1 BGB sind sowohl unbewegliche als auch bewegliche Gewerberäume. Die zu klärende Frage war hier, ob es sich bei einem Messestand um einen beweglichen Gewerberaum handelt, oder nicht.
Hierzu hat der EuGH mit Urteil vom 07.08.2018 entschieden, dass ein Messestand eines Unternehmens, an dem der Unternehmer an wenigen Tagen im Jahr seine Tätigkeiten ausübt, dann als Geschäftsraum anzusehen ist, wenn „in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen“ (C-485/17).
Wenn dies der Fall ist, kann man nach der Rechtsprechung des EuGH nicht mehr davon ausgehen, dass der Verbraucher psychischem Druck oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist.
So verhielt es sich nach dem Urteil des BGH hier. Der Kläger musste aus Sicht eines aufmerksamen und verständigen Verbrauchers davon ausgehen, dass die Beklagte auch am Messestand ihren Verkaufstätigkeiten nachgeht, so der BGH.
Bei der „Messe Rosenheim“ handelt es sich um eine klassische Verkaufsmesse, dies ist für den durchschnittlichen Verbraucher erkennbar. Der Verkaufscharakter der Messe ist nach Auffassung des BGH offensichtlich. Bei der „Messe Rosenheim“ boten die Anbieter im Jahr 2015 in 14 Ausstellungshallen ihre Produkte an.
Das Angebot der Beklagten am Messestand im Hinblick auf die Einbauküche kann für den Kläger daher nicht überraschend gewesen sein, so der BGH. Von einer Überrumpelung kann nach Auffassung des BGH nicht die Rede gewesen sein. So hatten es auch die Vorinstanzen zutreffend beurteilt.
Bei dem Messestand der Beklagten handelte es sich insofern um einen beweglichen Gewerberaum. Der Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten wurde daher nicht außerhalb der Geschäftsräume der Beklagten geschlossen.
Dem Kläger stand aus diesem Grund kein Widerrufsrecht zu, so der BGH.
BGH, Urteil vom 10.04.2019 – VIII ZR 82/17
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