Umweltbelastungen durch Mikroplastik sind seit langem bekannt. In Deutschland gibt es derzeit aber praktisch keine Handhabe gegen die Plastikflut.
Mikroplastik sind Kunststoffpartikel, die kleiner als 5 mm sind. Eine einheitliche wissenschaftliche Definition des Begriffs „Mikroplastik“ existiert nicht. Allerdings existiert auf EU-Ebene eine Definition für Mikroplastik (Beschluss der Kommission vom 23.07.2017 – C (2017) 4243), die auf die Festlegung der Kriterien für die Vergabe des EU-Umweltzeichens für Waschmittel zurück geht. Unter Mikroplastik sind danach unlösliche Partikel aus Kunststoff unter 5 mm Größe zu verstehen, die durch bestimmte Verfahren gewonnen werden.
„Mikroplastik: Partikel mit einer Größe von weniger als 5 mm eines unlöslichen makromolekularen Kunststoffs, der durch eines der folgenden Verfahren gewonnen wird:
Beschluss der EU-Kommission vom 23.07.2017 – C (2017) 4243
a) ein Polymerisationsverfahren, wie z. B. Polyaddition oder Polykondensation oder ein ähnliches Verfahren, bei dem Monomere oder andere Ausgangsstoffe verwendet werden;
b) chemische Modifikation natürlicher oder synthetischer Makromoleküle;
c) mikrobielle Fermentation“
Mikroplastik existiert in großen Mengen, da es an vielen Stellen entsteht und verwendet wird. Beim Abrieb von Autoreifen entsteht Mikroplastik, bei Kosmetika werden winzige Kunststoffpartikel als Füll- und Schleifmittel eingesetzt, Kunstrasen setzt in erheblichem Umfang Kunststoff frei. All dies trägt erheblich zur Verschmutzung der Meere bei. Außerdem gelangen die Kunststoffe in den Nahrungskreislauf, mit derzeit unabsehbaren Folgen.
Angesichts der greifbaren Bedrohung für die Umwelt und die Gesundheit überrascht es, dass in Deutschland praktisch keine Handhabe gegen Mikroplastik existiert.
Zu dieser ernüchternden Feststellung gelangte jüngst das Verwaltungsgericht Stuttgart (2 K 4023/19).
In dem Verfahren ging ein Landwirt gegen eine Baugenehmigung für einen Kunstrasenplatz vor. Der Landwirt brachte vor, dass der nur 290 m von seinen Ackerflächen entfernt geplante Kunstrasenplatz Mikroplastik freisetzt. Die Partikel gelangen mit der Zeit in den Boden. Betroffen ist auch die landwirtschaftliche Nutzfläche. Innerhalb von 10 Jahren sei laut Herstellerangaben mit einer Abnutzung des Kunstrasens von 50% zu rechnen, mit einer entsprechend hohen Freisetzung von Mikroplastik. Im Boden wirkt das Mikroplastik auf die angebauten Früchte und gelangt in den Nahrungskreislauf.
Die Stuttgarter Verwaltungsrichter erteilten dem Landwirt eine Absage. Zwar sei eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Absatz 1 Satz 2 BauNVO in Erwägung zu ziehen. Das setze aber voraus, dass das Vorhaben für den Landwirt unzumutbar ist. Das verneinte das Gericht. Mikroplastik sei derzeit kein gesundheits- oder umweltgefährdender Stoff im Sinne der REACH-VO und nationaler Rechtsvorschriften.
Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Mikroplastik voraussichtlich in die REACH-Verordnung aufgenommen wird. Ein entsprechender Änderungsvorschlag sei im Jahr 2020 zu erwarten. In Kraft treten soll die Regelung nicht vor 2022. Dem Landwirt stehe kein Anspruch auf Einhaltung künftiger Rechtsvorschriften zu. Dem Kunstrasenplatz ist der Landwirt daher ohne Erfolg entgegen getreten.
Die Entscheidung wirkt auf den ersten Blick verstörend. Die Schädlichkeit von Mikroplastik ist seit geraumer Zeit bekannt. Allein der Umstand, dass Mikroplastik derzeit nicht als umweltgefährdender oder gesundheitsgefährdender Stoff gelistet ist, verhindert ein Vorgehen gegen den Kunstrasenlatz. So gelangen über die Jahre Tonnen von Mikroplastik in die Umwelt – völlig legal.
Das Verwaltungsgericht durfte gar nicht anders entscheiden, da es sich an die geltenden Vorschriften zu halten hat und nicht einfach eigene Standards setzen darf. Deshalb darf man von einem Verwaltungsgericht auch nicht mehr erwarten. Ein anderer Ausgang des Verfahrens hätte den Blick außerdem zugleich auf andere Emittenten von Mikroplastik gelenkt. Das Verbot eines Kunstrasenplatzes bedeutet spiegelbildlich nämlich, dass es auch Verbote für Mikroplastik in Kosmetika und Abrieb von Autoreifen geben müsste. Diese Entscheidung muss der Gesetzgeber treffen und nicht das Gericht, das Recht nur anzuwenden hat.
Dass zeitnah Vorschriften über die Vermeidung von Mikroplastik erlassen werden, ist vorhersehbar. Solange das nicht geschieht, darf die Umwelt weiter verschmutzt werden.
VG Stuttgart, Beschluss vom 19.07.2019 – 2 K 4023/19
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