Ist im Arbeitsvertrag der Arbeitsort festgelegt, aber darüber hinaus eine Versetzungsklausel vorhanden, darf der Arbeitnehmer an einen anderen Ort versetzt werden. Die Versetzung muss dann jedoch nach billigem Ermessen erfolgen. Dabei hat der Arbeitgeber die wechselseitigen Interessen abzuwägen und auch die Interessen des Arbeitnehmers zu beachten. Für eine ordnungsgemäße Interessenabwägung trägt der Arbeitgeber die Beweislast. So entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LArbG Rheinland-Pfalz) in seinem Urteil vom 11.04.2019 (5 Sa 371/18).
Wird ein Arbeitnehmer an einen anderen Ort versetzt, kann das für ihn Vor- aber auch Nachteile haben. Ist der neue Arbeitsort zum Beispiel mit einem längeren Arbeitsweg verbunden, wird der Arbeitnehmer hiermit in der Regel nicht einverstanden sein. Dann stellt sich die Frage, ob die Versetzung zulässig ist oder nicht.
Der Arbeitnehmer sollte zunächst in seinen Arbeitsvertrag schauen. Findet sich dort eine Regelung zu einer möglichen Versetzung, ist diese grundsätzlich möglich. Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitsort im Arbeitsvertrag festgelegt ist. Mit einem solchen Fall hatte sich das LArbG Rheinland-Pfalz zu befassen.
Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Entsorgungsbranche, beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag ist als Arbeitsort der Ort R. festgelegt. Weiterhin findet sich im Arbeitsvertrag die folgende Klausel: „Die Firma behält sich einen etwa notwendigen anderweitigen Einsatz des Mitarbeiters –eventuell auch an einem anderen Ort- im Rahmen seiner Stellung entsprechenden Tätigkeit vor.“
Am Standort R. befindet sich ein Wertstoffhof. Dort war der Kläger als Müllwerker eingesetzt. Seine Aufgabe war es, an der Pforte die abgegebenen Abfälle zu begutachten und zu wiegen und anschließend die Entsorgungsgebühren zu kassieren. Dann kam der Verdacht auf, der Kläger würde am Wertstoffhof Schrottteile stehlen. Aufgrund dieses Verdachts ließ die Beklagte den Kläger von einer Detektei am Wertstoffhof observieren.
Es kam zu einem Ermittlungsverfahren, welches jedoch von der Staatsanwaltschaft wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde. Parallel zur Tätigkeit des Detektivbüros befragte die Beklagte drei ebenfalls am Wertstoffhof beschäftigte Mitarbeiter, die den Verdacht der Beklagten aus deren Sicht erhärteten.
Daraufhin versetzte die Beklagte den Kläger an einen anderen Standort. Dieser ist nun 56 Straßenkilometer vom Wohnort des Klägers entfernt. Die Zustimmung des Betriebsrates lag vor.
Hiermit war der Kläger nicht einverstanden. Er erhob gegen die Versetzung Klage beim zuständigen Arbeitsgericht. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Versetzung war rechtmäßig, so das Arbeitsgericht. Über die Berufung des Klägers hatte nun das LArbG Rheinland-Pfalz zu entscheiden.
Die Versetzung war rechtmäßig, so entschied auch das LArbG. Laut Arbeitsvertrag ist aufgrund der darin enthaltenen Versetzungsklausel eine Versetzung grundsätzlich zulässig. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn ein Arbeitsort im Arbeitsvertrag festgelegt ist. So entschied das LArbG Rheinland-Pfalz.
Bei der Versetzungsklausel handelt es sich um einen Versetzungsvorbehalt. Hiernach hat die Beklagte sich vorbehalten, den Kläger auch an einem anderen Ort einzusetzen. Der daneben vertraglich festgelegte Arbeitsort spricht nicht dagegen, so das LArbG. „Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird“, so das Gericht.
Bei der Versetzungsklausel wird nach Auffassung des LArbG Rheinland-Pfalz lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und „eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll“. § 106 GewO regelt das Weisungsrecht des Arbeitgebers, welches die Bestimmung von Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung umfasst.
Die Versetzung entsprach auch –wie nach §106 GewO erforderlich- billigem Ermessen. Nach dem Urteil des LArbG Rheinland-Pfalz war die erforderliche Interessenabwägung nicht zu beanstanden. Der maßgebliche Zeitpunkt der Rechtmäßigkeit ist dabei der Zeitpunkt der Ermessensentscheidung. Hierauf weist das Gericht hin.
Das LArbG macht deutlich, dass die Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Versetzung des Klägers hatte. Nach dem Vortrag der Beklagten lagen Tatsachen vor, die den Verdacht begründe, dass der Kläger am Wertstoffhof gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat. Dieser Vortrag wird sowohl von einem Zeugen der Detektei als auch durch die Gesprächsprotokolle der Betriebsangehörigen bestätigt.
Es kommt nicht auf die strafrechtliche Bewertung an, insbesondere nicht auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Hierauf weist das Gericht hin. Die Beklagte durfte sich auf die glaubhaften Aussagen der angehörten Mitarbeiter und auch die Ergebnisse des Observierens berufen.
Unbeachtlich ist auch, ob die Vorwürfe gegen den Kläger einen Kündigungsgrund darstellen. Denn die Beklagte hat als milderes Mittel zur Kündigung hier die Versetzung gewählt. Dies kann nicht zu Lasten der Beklagten gewertet werden, so das LArbG Rheinland-Pfalz.
Mit seinem Verhalten hat der Kläger das erforderliche Vertrauen der Beklagten in seine Redlichkeit verloren. Die Beklagte hatte unter Berücksichtigung aller Umstände ein anerkennenswertes Interesse daran, den Kläger nicht mehr an dem Wertstoffhof in R. einzusetzen. Hierhinter musste das Interesse des Klägers an der Beibehaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes zurückstehen, so das LArbG Rheinland-Pfalz.
Insbesondere der nun zurückzulegende Weg zur Arbeit ist dem Kläger zuzumuten. Die damit verbundenen Unannehmlichkeiten und zusätzlich entstehenden Kosten gehen nicht über das hinaus, was der Arbeitnehmer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinzunehmen hat (BAG 12.11.2013, 10 AZR 605/12, Rn. 45).
Auch gesundheitliche Gründe sprechen aufgrund der vorliegenden arbeitsmedizinischen Stellungnahme des BAD nicht gegen die Versetzung.
Die Versetzungsentscheidung der Beklagten entsprach damit billigem Ermessen und war nach Auffassung des LArbG Rheinland-Pfalz nicht zu beanstanden.
Die Berufung des Klägers wurde daher zurückgewiesen.
LArbG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.04.2019 – 5 Sa 371/1 8
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