Der Käufer eines Grundstücks kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn der Verkäufer ihm einen Schädlingsbefall arglistig verschwiegen hat. Dies gilt auch dann, wenn ein Gewährleistungsausschluss vereinbart wurde. Ein entsprechendes Urteil fällte das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG Braunschweig) am 01.11.2018 (9 U 51/17).
Der Kläger kaufte vom Beklagten im Jahr 2014 ein mit einem Fachwerkhaus bebautes Grundstück. Im Kaufvertrag wurde ein Gewährleistungsausschluss vereinbart. Bis zur Übergabe des Grundstücks an den Kläger bewohnte der Beklagte das Fachwerkhaus. Das Haus war erheblich von holzzerstörenden Insekten und Pilzen befallen. Der Schädlingsbefall war so erheblich, dass nach Sachverständigengutachten die Standsicherheit eingeschränkt war.
Bereits im Jahr 1998 muss der Beklagte den Schädlingsbefall festgestellt haben. Im Zusammenhang mit Ausbesserungsarbeiten an der äußeren Fassade verfüllte der Beklagte zum damaligen Zeitpunkt diverse Löcher (Fraßgänge der Insekten) mit einer dauerelastischen Fugenverfüllung. Anschließend strich der Beklagte das Gebälk. Zum Zeitpunkt der Übergabe des Grundstücks an den Kläger waren neue unverfüllte Löcher/Gänge vorhanden. Über einen möglichen Schädlingsbefall wurde vor und bei der Übergabe nicht gesprochen. Der Kläger zahlte dem Beklagten den vereinbarten Kaufpreis von 85.000,- €. Darüber hinaus fielen unter anderem noch Maklerkosten und Grunderwerbssteuer an.
Nach Bekanntwerden des Schädlingsbefalls trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück. Vom Beklagten verlangte er die Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises sowie die Maklergebühren und die Grunderwerbssteuer. Der Beklagte lehnte die Rückabwicklung des Kaufvertrages ab. Er berief sich auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss. Darüber hinaus habe er im Jahr 1998 lediglich Risse verfüllt. Ein Schädlingsbefall war im Jahr 1998 jedenfalls nicht vorhanden, so der Beklagte.
Der Kläger erhob vor dem zuständigen Landgericht Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Grundstücks.
Das Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt. Der Kläger hatte nach Auffassung des Landgerichts ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag, da der Beklagte den Schädlingsbefall arglistig verschwiegen hat. Auch einen Anspruch auf Rückzahlung der Grunderwerbsteuer sprach das Landgericht dem Kläger zu. Der Beklagte war mit dem Urteil nicht einverstanden. Er legte Berufung beim OLG Braunschweig ein.
Das OLG Braunschweig bestätigte im Hinblick auf den zurück verlangten Kaufpreis das Urteil des Landgerichts. Der Kläger hatte ein Rücktrittsrecht, weil der Beklagte einen Mangel arglistig verschwiegen hat. So sah es auch das OLG Braunschweig. Die Grunderwerbssteuer konnte der Kläger jedoch nur Zug um Zug gegen Abtretung seines Anspruchs auf Rückerstattung der Grunderwerbssteuer gegen das Finanzamt geltend machen. In diesem Punkt hatte die Berufung des Beklagten Erfolg.
Das OLG Braunschweig bestätigte ein Rücktrittsrecht des Klägers. Es sah es als erwiesen an, dass der Beklagte einen Mangel arglistig verschwiegen hat. Das Rücktrittsrecht ergab sich hier aus §§ 434, 437 Nummer 2, 440, 323 Absatz 1, 346 Absatz 1 BGB.
Das OLG Braunschweig ging, wie auch das Landgericht zuvor, von einem wesentlichen Mangel aus. Aufgrund des erheblichen Schädlingsbefalls eignete sich das Fachwerkhaus nicht für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung, dem Bewohnen. Hierauf weist das OLG Braunschweig in seinem Urteil hin. Der vom Landgericht bestellte Sachverständige hatte unter dem vom Beklagten vorgenommenen Farbanstrich Spuren des Schädlingsbefalls festgestellt. Zudem stellte der Sachverständige fest, dass der Schädlingsbefall erheblich fortgeschritten war. Es muss auch aufgrund der unter dem Farbanstrich vorhandenen Löcher von einem Schädlingsbefall bereits 1998 ausgegangen werden. Hierauf wies der Sachverständige hin.
Auch zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger muss von einem anhaltenden Schädlingsbefall ausgegangen werden. Diese Schlussfolgerung war nach Auffassung des Sachverständigen aufgrund der neuen Fraßgänge und Löcher zu ziehen. Eine Standfestigkeit war nicht mehr gegeben. Das Landgericht war daher zutreffend davon ausgegangen, dass das Gebäude zum Bewohnen nicht mehr geeignet war. Nach dem Urteil des OLG Braunschweig lag –wie bereits das Landgericht festgestellt hatte- ein erheblicher Mangel vor.
Das OLG Braunschweig weist in seinem Urteil auf § 444 BGB hin. Hiernach kann sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen werden, nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Der Beklagte behauptete im Verfahren, er habe lediglich Risse in den Balken verfüllt. Ein Schädlingsbefall habe 1998 jedenfalls nicht vorgelegen. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt es, „dass der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kennt oder für möglich hält“. Das OLG Braunschweig weist auf das entsprechende Urteil des Bundesgerichtshofs hin (BGH, Urt. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05). Von einer solchen Kenntnis war beim Beklagten auszugehen, so das OLG Braunschweig. Die Arbeiten an dem Fachwerkhaus im Jahr 1998 wurden vom Beklagten selbst eingeräumt. Bereits zu diesem Zeitpunkt muss der Schädlingsbefall deutlich sichtbar gewesen sein, so der Sachverständige in dem Verfahren am Landgericht. Der Beklagte nahm selbst die Arbeiten an der Fassade vor. Der Schädlingsbefall war nach Aussage des Sachverständigen an nahezu allen Stellen des Fachwerkgebälks zu sehen gewesen. Die den Mangel begründenden Umstände muss der Beklagte gekannt oder für möglich gehalten haben, so das OLG Braunschweig.
Der Beklagte hatte eine Offenbarungspflicht für wesentliche verborgene Mängel oder für Umstände, die auf solche Mängel schließen lassen. Hierauf weist das OLG Braunschweig unter Berufung auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs hin (BGH, Urt. v. 16.03.2012 – V ZR 18/11). Dies gilt jedoch nicht, wenn die Mängel dem Käufer quasi direkt ins Auge springen, so das OLG Braunschweig.
Der Kläger hätte bei der Besichtigung die Löcher im Gebälk erkennen können. Jedoch hätte er nicht daraus schließen müssen, dass es sich um einen erheblichen Schädlingsbefall handelt, der zudem seit mindestens 1998 vorhanden war. Über diese Umstände hätte der Beklagte im Rahmen seiner Offenbarungspflicht aufklären müssen. Da er dies nicht getan hat, hat er den Mangel arglistig verschwiegen. So sah es das OLG Braunschweig, wie auch zuvor bereits das Landgericht.
Aufgrund des arglistigen Verschweigens des erheblichen Mangels konnte sich der Beklagte gemäß § 444 BGB nicht auf den vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen.
Der Kläger durfte vom Kaufvertrag zurücktreten und der Beklagte hat den gezahlten Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Grundstücks zurückzuzahlen. So entschied das OLG Braunschweig. Ebenfalls zu erstatten war die vom Kläger gezahlte Maklerprovision. Diesbezüglich hatte die Berufung des Beklagten keinen Erfolg.
OLG Braunschweig, Urteil vom 01.11.2018 – 9 U 51/17
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